Susanne Heinzl

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Immer wieder gibt es mehr oder weniger spektakuläre Fälle von Fälschungen wissenschaftlicher Daten. Nun wird im British Medical Journal (Ausgabe vom 30. Juli 2005) ausführlich über einen Fall berichtet, bei dem die beanstandete Originalarbeit 1992 im BMJ publiziert worden war.

In dieser Arbeit und in nachfolgenden Publikationen hatte Dr. Ram B. Singh aus Moradabad (Indien) einen deutlichen Zusammenhang zwischen der Umstellung der Ernährung und dem kardiovaskulären Risiko zeigen können. Aber schon bald nach dieser Veröffentlichung äußerten Gutachter Zweifel an den Daten weiterer von ihm beim BMJ eingereichter Manuskripte. Ausführlich ist in der aktuellen Ausgabe das „Hin-und-Her“ zwischen Autor, Redaktion und Gutachtern beschrieben. Originaldaten wurden angefordert und analysiert. Und nun – mehr als 10 Jahre später – ist ziemlich klar, dass die Daten von Singh gefälscht waren. Eine Londoner Arbeitgruppe aus Epidemiologen und Statistikern wies dies mit statistischen Methoden nach: „Several statistical features of the data from the dietary trial are so strongly suggestive of data fabrication that no other explanation is likely.“ Vorher hatte der Herausgeber des BMJ über zehn Jahre versucht, eine Stelle in Indien zu finden, die die Zweifel an dieser Arbeit aufgreifen und untersuchen sollte – ohne Erfolg. Er hatte Material und Daten gesammelt und viel Zeit für diese Recherchen aufgewendet: „Activities that took a long time and are beyond the resources of most journals.“ Um aus dem Dilemma heraus zu kommen, sah es das BMJ als einzige Möglichkeit an, nun alle Vorgänge und Aktivitäten offen zu legen.

Wie kann sich eine Zeitschrift vor Fälschungen schützen? Die Antwort ist klar: Sie kann es genauso wenig, wie sich jeder Einzelne schützen kann. Das Risiko kann mit verschiedenen Methoden verringert werden. Aber betrügerische Energien sind nun mal auf Täuschung ausgerichtet.

Der Vorschlag, vertrauliche „schwarze“ Listen mit verdächtigen Autoren zu führen wird durch die hohe Zahl von Publikationsorganen undurchführbar. Zudem wird möglicherweise jemand als „schuldig“ abgestempelt, der völlig schuldlos ist. Ein weiterer Vorschlag verlangt, dass die Orginaldaten einer Arbeit an einem sicheren Ort hinterlegt werden, an dem sie bei aufkommenden Fragen zugänglich sind. Auch hierfür fehlt die erforderliche Infrastruktur.

Doch muss man bei wissenschaftlichen Publikationen wirklich immer alles in Frage stellen? Eine Woche später (8. August 2005) ist im BMJ eine systematische Übersicht zur Wirkung von Cholinesterase-Hemmern bei Alzheimer-Krankheit erschienen, die an praktisch keiner Studie in diesem Bereich „ein gutes Haar“ lässt. Auch die Cochrane-Reviews auf diesem Gebiet werden als insuffizient eingestuft. Arzneimittel-Kritiker werden sich dankbar auf diese Daten stürzen, aber nützen solche „Verrisse“ tatsächlich einer Weiterentwicklung unserer Kenntnisse zu neuen Therapieprinzipien?

Was bleibt, ist Zwiespalt und Ratlosigkeit. Und die Hoffnung, dass es nach wie vor genügend seriöse Wissenschaftler und Forscher gibt, die ihrer Arbeit gewissenhaft und ehrlich nachgehen. Dennoch gilt in Redaktionen wie im täglichen Leben: Trau, schau, wem – man muss sich die Autoren und Zeitschriften, denen man vertraut, genau ansehen.

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