B-Vitamine nicht zur Sekundärprävention kardiovaskulärer Erkrankungen geeignet


Susanne Heinzl

Vitamine sind immer gut – so die weit verbreitete Meinung in der Bevölkerung. Besser informierte Kreise sind etwas vorsichtiger – die fettlöslichen Vitamine A, D, E und K sollten nicht unbegrenzt und unkontrolliert eingenommen werden. Wasserlösliche Vitamine galten bislang aber eher als ungefährlich, wenngleich im Zusammenhang mit der Hochdosis-Gabe von Vitamin C immer wieder über ein erhöhtes Risiko von Nierensteinen diskutiert wird.

In den letzten Jahren wird verstärkt der Einsatz von Vitamin B6 und Folsäure zur Senkung erhöhter Homocystein-Spiegel und damit zur Prophylaxe atherosklerotischer Erkrankungen (z. B. Herzinfarkt, Schlaganfall) propagiert. Homocystein entsteht bei der Verstoffwechslung der Aminosäure Methionin. Es wird mit Hilfe von Enzymen metabolisiert, die B-Vitamine als Kofaktoren benötigen. In zahlreichen Studien konnte gezeigt werden, dass der Plasma-Homocystein-Spiegel ein deutlicher und unabhängiger Risikofaktor für Herzinfarkt und Schlaganfall ist. Außerdem konnte ein Zusammenhang zwischen Herzinfarkt und Schlaganfall und einer zu geringen Zufuhr von Vitamin B6 (Pyridoxin) hergestellt werden. Erhöhte Homocystein-Spiegel können relativ gut durch eine Behandlung mit Pyridoxin und Folsäure gesenkt werden, allerdings war bislang unbekannt, ob hierdurch auch das Risiko eines Herzinfarkts verringert wird. Dies wurde nun in der NORVIT (Norwegian vitamin trial) untersucht, deren Ergebnisse Anfang September in Stockholm präsentiert wurden. In die randomisierte, kontrollierte, doppelblind durchgeführte Studie wurden 3 749 Patienten zwischen 30 und 84 Jahren aufgenommen, die innerhalb der vorangegangenen sieben Tage einen Herzinfarkt erlitten hatten. Sie wurden in vier Gruppen randomisiert:

  • Folsäure (0,8 mg/Tag) plus Vitamin B6 (40 mg/Tag) (n = 937)
  • Folsäure allein (n = 935)
  • Vitamin B6 allein (n = 934)
  • Plazebo (n = 943)

Primärer Endpunkt war die Kombination aus erneutem Herzinfarkt inklusive plötzlichem Herztod und Schlaganfall. Sekundäre Endpunkte waren die Einzelendpunkte des primären Endpunkts, die Gesamtsterblichkeit, die Zahl kardiovaskulärer Interventionen und Bypass-Operationen und Krankenhausaufnahmen aufgrund einer instabilen Angina pectoris. 

Der Plasma-Homocystein-Spiegel sank nach zwei Monaten in den Gruppen, die Folsäure nahmen, deutlich um 28 % im Vergleich zur Plazebo-Gruppe und im Vergleich zur Gruppe, die nur Vitamin B6 nahm. Die Plasma-Folatspiegel stiegen in den Folsäure-Gruppen um das 6- bis 7fache. Aber der primäre Endpunkt in der Folsäure-plus-Vitamin-B6-Gruppe trat signifikant häufiger als in den anderen drei Gruppen auf, die Therapie verschlechterte also die Situation der Patienten. Die Ereignisraten der einzelnen Komponenten des primären Endpunkts waren ebenfalls höher. In beiden Folsäure-Gruppen wurden zudem mehr Krebserkrankungen gesehen, die Unterschiede waren aber nicht signifikant. 

Ein kausaler Zusammenhang zwischen erhöhten Homocystein-Spiegeln und kardiovaskulären Erkrankungen konnte damit nicht nachgewiesen werden. Nach den Daten der NORVIT-Studie kann also Vitamin B und Folsäure bei Patienten nach Infarkt zur Sekundärprophylaxe nicht empfohlen werden. 

Dies bedeutet nun keinesfalls, dass Koronarkranke ihre Ernährung auf eine Pyridoxin-arme Kost umstellen sollen, also zum Beispiel auf Gemüse, Hühner- und Schweinefleisch verzichten sollen. Die NORVIT-Daten zeigen jedoch einmal mehr, dass sich über Jahre propagierte Effekte bei „harter“ Untersuchung in einer randomisierten klinischen Studie nicht immer nachweisen lassen.

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