Vom Nutzen klinischer Studien


Die 55. Jahrestagung des American College of Cardiology vom 11. bis 14. März 2006 in Atlanta war traditionsgemäß Forum für die erstmalige Präsentation von Ergebnissen großangelegter Studien in der Kardiologie. In dieser Ausgabe berichten wir über vier Studien – eine winzig kleine Auswahl aus dem riesigen Programmangebot für die rund 30 000 Kongressteilnehmer.

Ein schönes Beispiel zum Nutzen klinischer Studien ist die HOPE-2-Studie (Seite 178): Sie zeigte erneut, dass die Senkung erhöhter Homocystein-Spiegel mit B-Vitaminen die kardiovaskuläre Ereignisrate bei Risikopatienten nicht verringert. Nachdem man jahrelang überzeugt war, den Patienten mit erhöhten Homocystein-Spiegeln durch die Gabe von Folsäure, Vitamin B6 und B12 Gutes zu tun, zeigten nun prospektive, kontrollierte, randomisierte Studien, dass der harte Endpunkt, nämlich die Rate klinischer Ereignisse, hierdurch nicht beeinflusst wurde. Nicht Plasmaspiegel, sondern klinische Parameter, wie Herzinfarkt, Schlaganfall oder Tod, sind die richtige Messgrößen für den Nutzen einer Therapie.

Ähnlich ist es mit der CHARISMA-Studie (Seite 177), in der der Frage nachgegangen wurde, ob Patienten mit erhöhtem kardiovaskulärem Risiko von einer Doppelstrategie aus Acetylsalicylsäure plus Clopidogrel profitieren. Das Ergebnis der Studie hierzu ist eindeutig: Nein, sie profitieren nicht. Sponsoren und auch Wissenschaftler sind von solchen Studienergebnissen natürlich enttäuscht, bedeuten sie doch geringere Aufmerksamkeit in der „Szene“ und enorme finanzielle Einbußen. Andererseits zeigen solche Ergebnisse den wahren Wert und die Bedeutung der prospektiven randomisierten, kontrollierten Studie. Und die Ergebnisse beweisen, dass dieses System funktioniert.

Ist nun ein Ereignis eingetreten, wie der STEMI, der Myokardinfarkt mit ST-Streckenhebung, erhebt sich die Frage, welche antithrombotische Strategie besser ist: Unfraktioniertes Heparin, niedermolekulares Heparin oder Fondaparinux?

Die EXTRACT-TIMI-25-Studie (Seite 173) zeigte, dass bei solchen Patienten mit STEMI, die sich einer Fibrinolyse unterziehen, eine achttägige Enoxaparin-Therapie im Nettonutzen Vorteile im Vergleich zu einer Therapie mit unfraktioniertem Heparin über 48 Stunden hat. Und die OASIS-6-Studie (Seite 175) kam zu dem Ergebnis, dass eine achttägige Behandlung mit Fondaparinux besser ist als eine 48-stündige Therapie mit unfraktioniertem Heparin oder Plazebo – allerdings nicht bei Patienten, die sich einer perkutanen Intervention unterziehen.

Diese Fragestellung taucht zwar vermutlich nicht in der Offizinapotheke auf, aber die Studien zeigen uns, dass Antithrombotikum nicht gleich Antithrombotikum ist. Wir haben für Sie von der OASIS-6-Studie auch gleich die auf Seite 160 vorgestellte Number needed to treat (NNT) berechnet.

Diese weltgrößten Medizinkongresse wie der ACC.06 sind von einem hochprofessionellen Zusammenspiel von Wissenschaft, der Industrie als Geldgeber und Medienkonzernen gekennzeichnet. Die Grenzen zwischen den einzelnen Bereichen verwischen sich immer mehr. So setzt sich zunehmend auch die gleichzeitige Publikation der auf dem Kongress erstmals vorgestellten Daten in hochrangigen Zeitschriften wie dem New England Journal of Medicine oder dem JAMA durch, die dann online ab dem Zeitpunkt der Kongresspräsentation zur Verfügung steht. Der „virtuelle“ Kongress rückt damit immer näher! Der allgegenwärtige Einfluss der pharmazeutischen und Geräteindustrie ist nicht zu übersehen – kein Zweifel: Ohne dieses Geld geht nichts (mehr).

Susanne Heinzl,
Stuttgart

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