Die Plazebo-Wirkung des Therapeuten


Heike Oberpichler-Schwenk

Zur Linderung und Heilung von Krankheiten und Beschwerden trägt zu einem gewissen Anteil auch der Plazebo-Effekt bei. Um die Wirkung therapeutischer Maßnahmen, zum Beispiel eines Arzneimittels, zu objektivieren, werden diese deshalb nach Möglichkeit in Plazebo-kontrollierten Studien untersucht. Dabei ergeben sich je nach Krankheit (z. B. Depressionen) zum Teil beträchtliche Plazebo-Effekte, die unter anderem darauf zurückgeführt werden, dass die Patienten unter Studienbedingungen mehr Zuwendung erfahren als sonst.

Dass die Patienten-Therapeuten-Beziehung ganz wesentlich zum Plazebo-Effekt beiträgt, zeigten unlängst Ted J. Kaptchuk et al. an der Universität Harvard in einer Studie mit 262 Reizdarm-Patienten. Unter dem Vorwand, eine Plazebo-kontrollierte Studie zur Wirksamkeit einer Akupunktur-Behandlung durchführen zu wollen, wurden die Patienten in drei Gruppen randomisiert:

l Warteliste. Es wurden lediglich die Studienparameter (Schweregrad der Symptome, Lebensqualität, Besserung während der Studie) von einer Studienschwester erhoben.

l Begrenzte Interaktion zwischen Patient und Therapeut. Der Akupunktur-Therapeut stellte sich bei der ersten Sitzung kurz vor und erklärte dem Patienten, dass er dessen Akte kenne und wisse, was zu tun sei. Dann applizierte er die vermeintlichen Akupunktur-Nadeln – während der ersten 3 Wochen der insgesamt 6-wöchigen Studie waren es bei allen, danach randomisiert bei der Hälfte der Patienten nur Dummys – und ließ den Patienten für 20 Minuten allein. Diese Sitzungen fanden zweimal wöchentlich statt.

l Verstärkte Interaktion zwischen Patient und Therapeut. Der Akupunktur-Therapeut begann die erste, 45-minütige Sitzung mit einem ausführlichen Gespräch, in dem es darauf ankam, dem Patienten menschliche Wärme, Aufmerksamkeit und Zuversicht zu vermitteln. Dazu gehörten Regieanweisungen wie Fragen nach Symptomen und ihren Auswirkungen auf Beziehungen und Lebensstil, aktives Zuhören, Ausdrücken von Empathie, nachdenkliches Schweigen beim Erwägen des Behandlungsplans. Die Akupunktur-Behandlung erfolgte dann wie in der anderen Gruppe, wurde aber mit ein paar aufmunternden Worten beendet. Spezifische kognitive oder Verhaltensinterventionen waren nicht erlaubt.

Nach drei Wochen stellten die Patienten der Gruppe mit begrenzter Interaktion häufiger als die Patienten der Warteliste eine adäquate Symptomlinderung fest und hatten ein besseres Ergebnis auf einer allgemeinen Besserungsskala. Das spiegelt vermutlich vor allem die Erwartung der Patienten in die Wirksamkeit der technischen Maßnahme „Akupunktur“ wider.

Nochmals signifikant besser waren aber die Ergebnisse der Gruppe, in der eine intensive Patienten-Therapeuten-Beziehung aufgebaut worden war. Außerdem wiesen diese Patienten im Vergleich zur vorigen Gruppe eine signifikant stärkere Besserung in Bezug auf den Schweregrad der Symptome und die Lebensqualität auf.

Das zusätzliche Ergebnis der Studie, inwieweit die tatsächliche Akupunktur im zweiten 3-Wochen-Zeitraum den Patienten half, ist noch nicht publiziert.

Die Ergebnisse der Studie sind ein gewichtiges Argument für die „sprechende Medizin“. Eine empathische Therapeuten-Patienten-Beziehung vermag die Selbstheilungskräfte nachhaltig zu aktivieren. Inwieweit das auch bei weniger psychosomatisch geprägten Krankheitsbildern als dem Reizdarmsyndrom gilt, wäre spannend zu ermitteln.

Kaptchuk TJ, et al. Components of placebo effect: randomised controlled trial in patients with irritable bowel syndrome. BMJ 2008;336:999–1003, epub 3. April 2008.

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