Nachhaltige Interaktionen


Heike Oberpichler-Schwenk

Kelly CM, et al. Selective serotonin reuptake inhibitors and breast cancer mortality in women receiving tamoxifen: a population based cohort study. BMJ 2010;340:c693.

Wechselwirkungen auf der Ebene der Metabolisierung sind ein Mechanismus pharmakokinetischer Interaktionen. Häufig betroffen sind zum Beispiel die Cytochrom-P450-Isoenzyme CYP3A4, CYP2D6 und CYP2C19, die auch an der Metabolisierung zahlreicher Psychopharmaka beteiligt sind. Sie sind deshalb Diskussionsgegenstand bei den Fallkonferenzen des Instituts für Arzneimittelsicherheit in der Psychiatrie (AMSP e.V.). Dem Projekt AMSP sind über 50 psychiatrische Kliniken in Deutschland und dem angrenzenden Ausland angeschlossen. Diese erfassen fortlaufend schwere unerwünschte Arzneimittelwirkungen (UAW), die bei psychiatrischen Patienten unter der Therapie mit Psychopharmaka auftreten, und diskutieren in klinikübergreifenden Fallkonferenzen die möglichen Ursachen dieser schweren UAW, selbstverständlich auch unter Berücksichtigung der nichtpsychiatrischen Medikation.

Ein hohes pharmakokinetisches Interaktionspotenzial hat zum Beispiel Paroxetin. Der selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer hemmt unter anderem CYP2D6 (irreversibel) und soll deshalb von Herzinsuffizienz-Patienten nicht in Verbindung mit Metoprolol eingenommen werden. Die Kombination von Paroxetin mit Thioridazin ist kontraindiziert. Die AMSP-Gruppe diskutierte eine pharmakokinetische Interaktion mit Paroxetin als eine mögliche Ursache eines neuroleptischen Syndroms unter der Behandlung mit Aripiprazol (Psychopharmakotherapie 2007;14:215–7).

Während in diesen Fällen die Wechselwirkung akut klinisch in Erscheinung tritt, kann sich eine Interaktion auch erst langfristig manifestieren. Darauf deuten zum Beispiel die Ergebnisse einer kürzlich im British Medical Journal publizierten Kohortenstudie zur Sterblichkeit von Brustkrebspatientinnen, die neben der Tamoxifen-Behandlung auch einen selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI) eingenommen hatten. Tamoxifen wird durch CYP2D6 in aktive Metaboliten umgewandelt. Eine Hemmung von CYP2D6 könnte also seine Wirksamkeit beeinträchtigen und damit das Brustkrebs-Rückfallrisiko erhöhen. Tatsächlich zeigte die Kohortenstudie von Kelly et al. einen statistischen Zusammenhang zwischen der Brustkrebssterblichkeit und der Einnahme von Paroxetin während der üblicherweise fünfjährigen Tamoxifen-Therapie. Ausgewertet wurden die Verordnungsdaten von 2430 Brustkrebspatientinnen ab 66 Jahren, die erstmals Tamoxifen verordnet bekamen und denen während der Tamoxifen-Behandlungsphase auch ein SSRI (Citalopram, Fluoxetin, Fluvoxamin, Paroxetin, Sertralin) oder Venlafaxin verordnet wurde. Die Wahrscheinlichkeit, an Brustkrebs zu sterben, war um 24%, 54% oder 91% erhöht, wenn während einem Viertel, der Hälfte oder dreiviertel der Tamoxifen-Behandlungszeit auch Paroxetin eingenommen wurde. Für die anderen SSRI und Venlafaxin zeigte sich kein solcher Zusammenhang. Auf Individualebene wird man das Versagen einer Tamoxifen-Therapie, anders als bei akuten Interaktionen, kaum mit einer gleichzeitigen Antidepressiva-Therapie in Verbindung bringen. Umso wichtiger sind Studien wie die hier vorgestellte für die Einschätzung der Risiken.

Positive Interaktionen mit Ihnen, unseren Lesern, erhoffen wir uns zahlreich bei der Interpharm vom 12. bis 14. März in Frankfurt am Main. Dort werden übrigens unter anderem die Antidepressiva-Therapie während der Lebensspanne (Jugend, mittleres und höheres Alter) und Interaktionsprobleme infolge der Multimedikation älterer depressiver Patienten Thema sein. Neben dem Vortrags- und Seminarprogramm gibt es viele Gelegenheiten für persönlichen und fachlichen Austausch. Wir freuen uns auf Sie!

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