Tanja Saußele
Hand aufs Herz: Haben Sie schon einmal eine unerwünschte Arzneimittelwirkung (UAW) an die Arzneimittelkommission der Deutschen Apotheker (AMK) gemeldet, beispielsweise das Klagen eines Patienten über „Herzrasen“ oder Hautausschlag nach der Einnahme eines bestimmten Arzneimittels. In §21 der Apothekenbetriebsordnung ist verankert, dass der Apothekenleiter oder der von ihm beauftragte Apotheker Informationen über Arzneimittelrisiken zu überprüfen und entsprechende Maßnahmen zur Gefahrenabwehr zu veranlassen hat. Dazu gehören nicht nur Beanstandungen über Arzneimittel wie Qualitäts- und Verpackungsmängel, sondern auch Neben- und Wechselwirkungen sowie Gegenanzeigen und missbräuchliche Anwendung. Im Artikel „Medikationsmanagement in der Apotheke“ auf den Seiten 371 ff. in diesem Heft wird auf die zu geringe Zahl der Meldungen zu unerwünschten Arzneimittelwirkungen eingegangen. Von knapp 21000 öffentlichen Apotheken trafen im letzten Jahr nur 8041 Meldungen zu Qualitätsmängeln und UAW bei der AMK ein; nur rund ein Viertel davon betraf unerwünschte Wirkungen und den Verdacht auf Arzneimittelmissbrauch [1]. Das bedeutet im Durchschnitt nur eine UAW-Meldung von zehn Apotheken pro Jahr. Von den im Jahr 2012 rund 52500 eingegangenen UAW-Meldungen beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) stammten lediglich 1745 (3%) Meldungen von der AMK [6].
Dieses Spontanmeldesystem ist jedoch von hoher Relevanz, denn die Patientenzahl in klinischen Studien ist häufig zu gering, um Aussagen über das Auftreten seltener, aber schwerwiegender UAW treffen zu können. In klinischen Studien werden ältere, zum großen Teil multimorbide Patienten, Kinder oder Schwangere oft gar nicht eingeschlossen oder die Studiendauer ist zu kurz, um Aussagen über UAW bei Langzeitanwendung treffen zu könnnen. Bekannte Beispiele sind die Marktrücknahmen der verschreibungspflichtigen Arzneimittel Rofecoxib und Cerivastatin, aber auch der apothekenpflichtigen Arzneimittel Bufexamac und Clobutinol, deren UAW im Rahmen von klinischen Studien zunächst nicht erkannt worden waren.
Bei spontanen Meldungen besteht meist keine kausale Verknüpfung zwischen Ereignis und mutmaßlichem Auslöser. Eine Kausalitätsbeurteilung ist durch den Apotheker aber auch nicht erforderlich. Das ist die Aufgabe der pharmazeutischen Hersteller sowie der Behörden. Ein Beispiel ist das im Mai dieses Jahres von Belgien initiierte Risikobewertungsverfahren für Domperidon-haltige Arzneimittel zu kardialen Nebenwirkungen [2]. Im August folgte ein Rote-Hand-Brief mit neuen Empfehlungen; z. B. eine Maximaldosis von 30 mg/Tag und die Beachtung verschiedener Kontraindikationen [5]. Im September wurde dann der Durchführungsbeschluss der EU-Kommission veröffentlicht, in dem die Empfehlungen des Rote-Hand-Briefs aufgenommen wurden und nach dem die Produktinformation zum 1. Dezember geändert werden muss [3]. Zusätzlich muss zu Beginn der Fachinformation hinter dem Arzneimittelnamen das schwarze Dreieck für Arzneimittel, die unter zusätzlicher Überwachung stehen mit folgendem Erläuterungstext eingefügt werden: „Dieses Arzneimittel unterliegt einer zusätzlichen Überwachung…Angehörige von Gesundheitsberufen sind aufgefordert, jeden Verdachtsfall einer Nebenwirkung zu melden…“ [3]. Das ist eine neue Maßnahme für bereits länger zugelassene Arzneimittel, die zu „stimulierten“ Spontanmeldungen führen soll. Die Häufigkeit einer UAW lässt sich durch Spontanmeldungen nicht bestimmen, dennoch kann auf diese Weise der gesamte Arzneimittelmarkt beobachtet und UAW dadurch frühzeitig erkannt werden. Die Behörden können so den Arzneimittelherstellern entsprechende Auflagen erteilen, um weitergehende Studien durchzuführen. Das gelingt aber nur, wenn die Beobachtungen und entsprechenden UAW-Meldungen der Heilberufler, auch nach mehrjähriger Marktverfügbarkeit des Arzneimittels, nicht nachlassen.
Literatur
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