Dr. Bettina Krieg, Stuttgart

Es gibt keine Evidenz dafür, dass Opioide bei chronischen Rückenschmerzen langfristig wirksam sind.“ Diese Schlussfolgerung einer aktuellen Metaanalyse [7] lässt sich derzeit generell auf den Einsatz von Opioiden bei chronischen Nichttumorschmerzen übertragen. Die US-amerikanischen Centers for Disease Control and Prevention (CDC) stellen in ihrer 2016 herausgegebenen „Guideline for prescribing opioids for chronic pain“ fest, dass keine Studie eine länger als ein Jahr fortgeführte Opioidtherapie bei chronischen Schmerzen im Hinblick auf Schmerzintensität, Funktion oder Lebensqualität untersucht hat [3]. Stattdessen finden sich Hinweise, dass der Einsatz von Opioiden bei chronischen Nichttumorschmerzen mit einer erhöhten Mortalität assoziiert ist [5]. Inzwischen häufen sich zudem Warnungen vor Überdosierungen und der Erzeugung von Abhängigkeit [8]. Das Missbrauchspotenzial steigt mit zunehmendem Einsatz der Opioide zur Schmerzkontrolle [1].

Dennoch werden Opioide für Patienten mit chronischen Schmerzen verschrieben, Tendenz steigend.

Das hat auch damit zu tun, dass sowohl bei Patienten als auch bei Ärzten eine gewisse Hilflosigkeit gegenüber chronischen Schmerzen herrscht. Eine schnelle Lösung in Form einer reinen Pharmakotherapie kann es jedoch nicht geben, selbst wenn man zu Arzneistoffen wie Opioiden greift, die in anderen Zusammenhängen hochwirksam sind. Denn das Schmerzgeschehen bei chronischen Zuständen ist komplex, mit einem großen Anteil psychischer und sozialer Faktoren. „Schmerzen neu denken“ wurde deshalb bei der Tagung der US-amerikanischen Society of Hospital Medicine im Mai 2017 gefordert [4]. Das heißt auch zu akzeptieren, dass eine komplette Schmerzfreiheit kaum erreichbar sein wird. Viel eher sind alternative Strategien notwendig, die auf Schmerzwahrnehmung und -bewältigung sowie soziale Interaktionen zielen.

Doch auch für diese alternativen Verfahren ist bislang die Wirksamkeit nicht ausreichend belegt [6]. Dies wäre jedoch wichtig, um den Opioideinsatz reduzieren zu können. Es bleibt zu hoffen, dass solche Studien bald vermehrt durchgeführt werden. Die Sponsorensuche könnte sich jedoch schwierig gestalten, denn große Gewinne winken bei nichtpharmakologischen Ansätzen eher nicht.

Parallel dazu steht die Frage im Raum, wie es mit den chronischen Schmerzpatienten weitergeht, die zum Teil schon seit langer Zeit Opioide erhalten. Bislang gibt es keine Studien zu einer Dosisreduktion oder einem Absetzen des Opioids bei diesen Patienten. Prof. Annette Becker, deren Beitrag zum Einsatz von Opioiden bei chronischen Nichttumorschmerzen Sie ab S. 255 lesen, plant eine solche Studie. Diese bringt eine Reihe besonderer Herausforderungen mit sich. Zum Beispiel ist eine „Absetzstudie“ in diesem Kontext kein gängiges Format. Die Studie soll zudem dezentral in Hausarztpraxen stattfinden, sodass ein hoher Aufwand für die Rekrutierung teilnehmender Praxen sowie für die Qualitätsicherung entsteht. Und da die pharmazeutische Industrie an einer solchen Studie aus offensichtlichen Gründen kein Interesse hat, gilt es, öffentliche Förderer zu finden [2].

Ziel wird nicht sein, Opioide aus der Therapie dieser Schmerzpatienten zu verbannen. Viel eher geht es darum, so viel Wissen wie möglich über Nutzen und sinnvollen Einsatz aller denkbaren Therapiestrategien zu sammeln. Damit diese im Idealfall zu einem evidenzbasierten Therapiekonzept zusammengesetzt werden können.

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