Antikoagulation verlangt Sorgfalt


Prof. Dr. Susanne Alban, Kiel

Foto: privat

Vor mittlerweile über zehn Jahren begann mit der Einführung der ersten direkten Thrombin- und Faktor-Xa-Inhibitoren eine neue Ära der oralen Antikoagulation. Zunächst wurden sie „Neue orale Antikogulanzien“ (NOAK) genannt; nach über einem halben Jahrhundert der „Markumarisierung“ war diese Bezeichnung nachvollziehbar, aber absehbar von begrenzter Lebensdauer. Etwas seltsam mutet die Umbenennung in „Nicht-VKA orale Antikoagulanzien“ an, um an den „NOAK“ festzuhalten. Dabei ist es doch so einfach und logisch, von DOAK, d. h. „direkten oralen Antikoagulanzien“, zu sprechen.

Dennoch kann man die müßige NOAK/DOAK-Diskussion auch als Spiegelbild der Realität der oralen Antikoagulation sehen. Obwohl die DOAK zweifelsfrei mittlerweile in der Praxis einen wichtigen Stellenwert einnehmen und die wissenschaftliche Evidenz bezüglich ihrer Anwendung zunehmend wächst, begegnet man immer noch einer gewissen Unsicherheit, Skepsis und leider auch Medikationsfehlern. Dies ist nachvollziehbar, denn gegenüber den Vitamin-K-Antagonisten hat sich vieles in der Anwendung geändert. Es fängt an bei der Dosierung: Die Vitamin-K-Antagonisten werden einfach „personalisiert“ dosiert, während man bei der korrekten Dosierung der DOAK in den verschiedenen Indikationen auf die jeweiligen Fachinformationen angewiesen ist. Dass Letztere nicht zur bevorzugten Lektüre gehören, haben in der Vergangenheit Rote-Hand-Briefe und Informationsbriefe gezeigt. Abhilfe sollten Schulungsmaterialien bringen, sozusagen die „Fachinformation im Bilderbuchformat“; mit der Einführung der „Blauen Hand“ wird inzwischen vielleicht häufiger verhindert, dass sie als „Hochglanz-Werbebroschüren“ im Papierkorb landen. Bei welchen Indikationen derzeit welches DOAK in welcher Dosierung eingesetzt wird, lesen Sie in meinem Beitrag ab Seite 284 in diesem Heft.

Dass Antikoagulanzien zu den Arzneimitteln gehören, die mit Sorgfalt und Vorsicht einzusetzen sind, liegt auf der Hand: Sie können Leben retten, aber pharmakologisch bedingt auch lebensbedrohliche Blutungen verursachen. Das gilt für die DOAK ebenso wie für die Vitamin-K-Antagonisten. Wissenschaftlich sind die Vorteile der DOAK zur Schlaganfallprophylaxe bei Vorhofflimmern und zur Therapie der venösen Thromboembolie (VTE) eindeutig belegt, auch wenn sie angesichts der hohen Kosten auch gerne einmal wegdiskutiert werden. Andererseits ist inzwischen aber auch klargeworden, dass die DOAK ihre Grenzen haben und Vitamin-K-Antagonisten nach wie vor Mittel der Wahl in bestimmten Situationen bleiben werden (z. B. bei künstlichen Herzklappen oder dem Antiphospholipidsyndrom).

Ungeachtet offizieller Nutzenbewertungen haben die DOAK einen klaren Nutzen für die Medizin gebracht. Zum einen wurde mit ihnen das wichtige, aber wenig beliebte Thema der Blutgerinnung wieder mehr ins Bewusstsein gerückt, zum anderen hat die durch sie angetriebene Forschung neue Erkenntnisse in etlichen Bereichen der antithrombotischen Behandlung gebracht (z. B. perioperatives Management antikoagulierter Patienten, Tripel-Therapie nach Stentimplantation, Dauer der VTE-Therapie).

In absehbarer Zeit werden die DOAK nicht mehr als Kostenreiber am Pranger stehen und sie werden zur Routinemedikation gehören wie die Vitamin-K-Antagonisten. Der Wunschtraum der Antikoagulation ohne Blutungen hat sich mit ihnen allerdings nicht erfüllt. Aber die Forschung geht weiter und am Horizont stehen nun die Faktor-XI- bzw. Faktor-XIa-Inhibitoren. Ob sich die Hoffnung erfüllt, dass sie wirklich ein geringeres Blutungsrisiko haben, bleibt abzuwarten.

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