Wussten Sie schon ...?

α1-Antitrypsinmangel sieht aus wie COPD


Saskia Fechte, Stuttgart

Husten mit Auswurf und Dyspnoe, begleitet von weiteren, unspezifischen Beschwerden bei jungen Erwachsenen oder im frühen Kindesalter, lassen rasch an eine COPD denken. Weniger bekannt, aber in den Atemwegssymptomen sehr ähnlich, ist ein α1-Antitrypsinmangel (AATM). Diese genetisch bedingte Erkrankung kann schon früh Emphyseme und andere Problematiken in der Lunge und - weniger offensichtlich - in der Leber verursachen. AATM stellt eine der häufigsten genetischen Ursachen für eine Lebertransplantation bei Kindern dar.

Dreh- und Angelpunkt ist das Protein α1-Antitrypsin (AAT), das in den Hepatozyten gebildet und über den Blutkreislauf im Organismus verteilt wird. Es besitzt protektive Wirkung gegenüber Gewebeschäden und Entzündungen, unterstützt wie andere Akut-Phase-Proteine das Immunsystem und hält aggressive Proteinasen in Schach. Bei einem α1-Antitrypsinmangel werden AAT-Moleküle mit nur eingeschränkter oder ganz ohne Funktionsfähigkeit gebildet und kumulieren in der Leber. Dort schädigen sie das Organ und werden zum Risiko für Fibrosen und Zirrhosen. Außerdem gelangen weniger oder gar keine schützenden AAT-Proteine in den Körper. Abgesehen von den Schäden in der Leber macht sich das Defizit des Schutzfaktors vor allem in der Lunge als sukzessiver und degenerativer Abbau des Gewebes und anhand von COPD-ähnlichen Symptomen bemerkbar.

Ein Blick auf die AAT-Blutspiegel kann diese Proteinopathie aufdecken, denn sie sind bei einem α1-Antitrypsinmangel erniedrigt: Beim klassischen AATM liegen Blutspiegel ≤ 30 mg/dl deutlich unter den Normalwerten von 90–200 mg/dl. Allerdings finden sich solch auffällige Veränderungen lediglich bei einem homozygoten Genotyp. Der häufiger vorkommende heterozygote Genotyp ist mit einem nur leicht erhöhten AAT-Serumspiegel von 70 bis 90 mg/dl verbunden. Das kann in diesen Fällen die Diagnosestellung erschweren, bedeutet aber eine bessere Prognose für die Organe. Das Risiko, eine Leberzirrhose zu entwickeln, ist hier nur zweifach erhöht, dagegen geht die schwere, homozygote Form mit einem 20-fachen Risiko einher. Inwieweit die Leber im Einzelfall betroffen ist, hängt von der genetischen Prädisposition sowie Umwelt- und Risikofaktoren, hier vor allem übermäßiger Alkoholkonsum und Einnahme hepatotoxischer Medikamente, ab. Auch Familienscreenings können bei der Diagnose AATM weiterhelfen.

Die Therapie des α1-Antitrypsinmangels besteht wie bei einer COPD in der Gabe bronchodilatatorischer Arzneistoffe, kombiniert mit wöchentlicher intravenöser Substitution von humanem AAT. Bezogen auf die Leber gibt es keine etablierte AATM-Therapie. Vorteilhaft sind ein gesunder Lebensstil mit ausgewogener Ernährung, ausreichend Bewegung und eine adäquate Behandlung eventueller Begleiterkrankungen. Transplantationen von Lunge und Leber sollten ebenfalls frühzeitig erwogen werden. Aktuelle Untersuchungen zu weiteren möglichen Behandlungsoptionen verfolgen die Hemmung der Produktion von fehlerhaftem AAT mit small interfering RNA (siRNA) sowie die Stimulation der Hepatozyten zur Freisetzung von AAT.

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