Zielgerichtete Therapie noch nicht am Ziel


Susanne Heinzl

Auf dem diesjährigen 26. Deutschen Krebskongress Ende Februar in Berlin wurde deutlich, welche enorme Bedeutung die Onkologie mittlerweile erreicht hat: vier Tage Kongress im ICC mit dicht gedrängtem Programm, aber auch sehr starker Präsenz der Pharmaindustrie bei den wissenschaftlichen Vorträgen und einer großen Industrieausstellung. Ein Schwerpunkt war die so genannte zielgerichtete Therapie. Diese Substanzen haben die Eigenschaft, spezifische Merkmale von Tumorzellen zu erkennen und sie dadurch bevorzugt anzugreifen. Gesunde Zellen ohne solche Merkmale werden dagegen eher „geschont“. Ein solches Merkmal ist zum Beispiel der epidermale Wachstumsfaktor-Rezeptor (EGRF). Er kontrolliert viele wichtige Zellfunktionen wie Wachstum und auch Zelltod. Eine Störung in diesem System scheint bei der Entstehung und beim Wachstum von Tumoren eine wichtige Rolle zu spielen. Es handelt sich um eine Plasmamembran-Rezeptortyrosinkinase. Hier greifen Tyrosinkinase-Hemmer wie Imatinib (Glivec®), Gefitinib (Iressa®) Erlotibin (Tarceva, noch nicht im Handel, Hoffmann La Roche) oder auch Trastuzumab (Herceptin) an. Ausführlich wurden solche Substanzen im Februar-Heft (Seite 50 ff.) vorgestellt. Gefitinib zum Beispiel ist ein oral bioverfügbarer Hemmstoff der EGF-Rezeptor-Tyrosinkinase.

Mit Cetuximab (Erbitux, Merck) wurde im Dezember 2003 in der Schweiz und im Februar 2004 in den USA ein monoklonaler Antikörper zur Behandlung des Irinotecan-resistenten Kolorektalkarzinoms zugelassen. Cetuximab bindet sich spezifisch an den EGFR, hierdurch wird die Bindung von EGF und Tumornekrosefaktor alpha (TNF-α) verhindert, welche sonst die intrazelluläre Tyrosinkinase aktivieren würden. Das Einwandern von Tumorzellen in gesundes Gewebe und die Metastasierung sollen verhindert werden. Außerdem wird die Reparaturfähigkeit der Zelle gestört, sie kann durch Chemo- und Strahlentherapie ausgelöste Schäden nicht so leicht wieder beheben. Des Weiteren wird die Angiogenese gehemmt.

Die Angiogenese ist ein weiteres wichtiges Ziel neuer Krebstherapie-Formen. So befindet sich mit Bevacizumab (Avastin, Hoffmann La Roche) ein monoklonarer Antikörper in fortgeschrittenen Phasen der klinischen Prüfung, der die Bindung von VEGF (vascular endothelial growth factor) an seinen Rezeptor verhindert und so die Gefäßneubildung im Tumor hemmt.

Cilengitid (Merck), derzeit in Phase II der klinischen Prüfung, ist ein zyklisches Peptid, das das Integrin αVβ3 hemmt, ein Zelladhäsionsmolekül, das von Endothelzellen der Gefäße, die wachsende Tumoren versorgen, gebildet wird.

Ein weiteres Ziel in der Krebsbehandlung ist Survivin, eine Proteinfamilie, der eine Schlüsselrolle in der Zytokinese und in der Behinderung der Apoptose zukommen soll. Es wird nach bisherigen Kenntnissen nur von Tumorzellen gebildet. Man geht davon aus, dass eine Blockade von Survivin hilft, Krebszellen vermehrt zum Absterben zu bringen. Die Firma Lilly hat ein Antisense-Oligonucleotid in der Pipeline, das am Survivin-System ansetzen soll.

Die bisherigen klinischen Studien mit den neuen zielgerichteten Substanzen haben nicht immer das eigentlich erhoffte Ergebnis erbracht. Aber gerade in diesem Fachgebiet ist der Spatz in der Hand immer noch besser als die Taube auf dem Dach.


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