Naturprodukte sind seit einigen Jahren „in“. Alle Heilmittel mit pflanzlichem Anstrich haben bei weiten Kreisen der Bevölkerung eine hohe Akzeptanz. Dieser Entwicklung haben sich natürlich auch die Anbieter von Gesundheitsleistungen wie Ärzte, Apotheker, Zeitschriften, verschiedene Fernseh- und Radiosendungen angepasst.
Leider wird in der „Phyto-Euphorie“ nur allzuoft verschwiegen, vergessen oder gar nicht gewusst, dass die stärksten Gifte, die wir kennen, von der Natur selbst produziert werden.
Und leider werden allzu häufig die verschiedenen Therapierichtungen wie Phytotherapie und Homöopathie in einen Topf geworfen, obwohl dies ein Widerspruch in sich ist. Vor diesem „Missgriff“ schrecken selbst Apotheker nicht zurück.
Es soll hier nicht in Frage gestellt werden, dass mit Phytotherapeutika und mit homöopathischer Therapie Behandlungserfolge erzielt werden können. Es ist aber schon mehr als fragwürdig, wenn diese so genannten Alternativtherapien immer als „sanft“ oder gar unschädlich hingestellt werden.
Für den Bereich der Phytotherapie, die sich vom Therapieprinzip her nicht von einer klassischen Arzneimitteltherapie unterscheidet, kann dies keinesfalls gelten. Dies beweisen auch einige Rückrufaktionen für pflanzliche Präparate, die es in den letzten Jahren immer wieder gab.
Und gegen die „Unschädlichkeit“ der Pflanzen sprechen die in den letzten Wochen besonders geplagten Pollenallergiker – auch Pollen ist rein pflanzlich. Darüber hinaus werden Pollenallergiker noch relativ oft von einer Pollen-assoziierten Nahrungsmittelallergie geplagt (siehe Seite 235 ff.) – einer Allergie auf rein pflanzliche Nahrungsmittel wie Äpfel, Karotten, Kartoffeln, Gurken …
Nahrungsmittel können natürlich je nach Gewinnungsort mit Umweltschmutz kontaminiert sein, wie das Warnschild für Angler an der Südspitze Manhattans deutlich macht. Aber diese Umweltbelastung kann sich eben auch auf Naturprodukte erstrecken, die als Ausgangsmaterial für die Gewinnung von Phytopharmaka oder diversen Kräutertees eingesetzt werden oder die von besonders eifrigen Bürgern selbst in Wald und Flur gesammelt werden, wie Weidenröschen für die Behandlung von Prostatabeschwerden oder Johanniskraut, um daraus „Wundöl“ zu machen. Lokal angewendetes Johanniskrautöl kann beim Menschen photosensibilisierend wirken und Lichtdermatosen auslösen.
Die komplexe Frage der Standardisierung der Produkte kann hier nicht diskutiert werden, sie ist aber selbstverständlich für die Beurteilung der Unschädlichkeit und der Wirkung von großer Bedeutung.
Wir Apotheker sollten also keinesfalls undifferenziert ins gleiche Horn blasen nach dem Motto „Pflanzlich ist immer gut, und wenn es nicht hilft, dann schadet es wenigstens nicht“.
Das ist schlicht falsch und zeugt von wenig Wissen.
Und vielleicht hilft Ihnen als „Knoten im Taschentuch“ ein Satz, den mein pharmakologischer Lehrer Prof. Dr. Hermann P. T. Ammon in seinen Vorlesungen in Tübingen beim Thema Atropin zu sagen pflegte: „Auch in Bezug auf die Giftigkeit der Tollkirsche gilt: Alle Pilze sind essbar, manche allerdings nur einmal!“
Susanne Heinzl
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