Pleonasmen, Metaphern und Anglizismen


Susanne Heinzl

Sprachdummheiten in der Medizin – Reiner W. Heckl, ehemaliger Chefarzt einer neurologischen Klinik, stellt sie in seinem Büchlein „Mit kollegialen Grüßen“ in überzeugender und unterhaltsamer Weise dar. Auch wir Apotheker (und Redakteure) können aus seinen Ausführungen und Beispielen großen Nutzen ziehen.

Guter und klarer Stil beinhaltet richtige Sätze, richtige Begriffe und striktes Vermeiden von Unbestimmtem und von Redundanz. Prägnante Begriffe sind für die Stilklarheit wesentlich. Aber häufig sind gerade die uns sehr prägnant anmutenden medizinischen Begriffe nichts sagende Worthülsen. Beispiele: Schulter-Arm-Syndrom, Schleudertrauma, Zervikalsyndrom. Sehr beliebt sind Pleonasmen („weiße Schimmel“): Unfallereignis, akuter Schlaganfall, arterielle Hypertonie, einzelnes Detail, fundamentale Grundlage, rückerinnern, voraus prophezeien, Wirkeffekt.

Endemisch ist in der Medizin der falsche Gebrauch von Adjektiven, das Paradebeispiel aus dem Alltag ist der vierstöckige Hausbesitzer, der einem sechsköpfigen Familienvater eine Wohnung vermietet. In der Medizin gibt es das hinkende Gangbild, das periphere Blutbild oder reizlose Narbenverhältnisse.

Weit verbreitet sind Metaphern, Heckel bezeichnet sie als unnötig, ja sogar affig, wenn sie nichts zur Verdeutlichung einer abstrakten Sache beitragen. Eines seiner Beispiele ist die engmaschige Kontrolle – hier dient die Metapher des Netzes mit engen Maschen nur dazu, sich der Genauigkeit zu entziehen. Für alle Beteiligten wäre es sinnvoller, genau zu sagen, ob die Kontrolle nun alle 8 oder alle 14 Tage stattfinden soll. Metaphern bei Größenangaben treiben manchmal seltsame Blüten, da gibt es die „kleinhühnerfaustgroße“ Schwellung und den „wellensittichschwungfederkieldicken“ Thrombus. Es erhebt sich dann die Frage, wer schon mal einen Wellensittichschwungfederkiel genau angesehen hat!

Anglizismen haben sich nicht nur in die allgemeine, sondern auch in die medizinische Sprache tief eingekrallt. Wer ständig Anglizismen in seine Reden und Publikationen einfließen lässt, will zeigen, dass er „in“ ist, wie der Autor, der eine Synkope (also einen Ohnmachtsanfall) so erklärt: „Wenn der cerebral blood flow so down reguliert wird, dass die brain function kritisch vermindert wird, kommt es zum Blackout.“

Besonders ärgerlich ist es, wenn angloamerikanische Wendungen direkt ins Deutsche falsch übertragen werden, so dass „Dummdeutsch“ entsteht. Beispiele für diese auch „falsche Freunde“ genannten Begriffe sind Defizite (statt Störungen), Rationale, Evidenz, kaukasisch, mild, Netzwerk, Philosophie. Englische Begriffe werden oft auch halb verdeutscht oder einfach original übernommen: Patienten werden gecheckt, gematcht und gemonitort. Die Ergebnisse werden in einem Paper zusammengefasst, schon wegen des Images. Das Paper verkündet eine Message, deren Highlight nicht selten nur knapp über Zero liegt.

Ein Mem ist ein Kulturelement, das nur durch Imitation weitergegeben wird, und der Mensch hat auch im Erwachsenenalter stets die Tendenz, neue Wörter aufzunehmen. Oft sind es „Autoritäten“, wie Moderatoren, Schauspieler oder Chefs, von denen wir Meme übernehmen. Unsinns-Meme breiten sich Influenza-artig aus, Hauptüberträger sind Fernsehsprecher und Journalisten. Beispiele aus dem Alltag sind Wendungen wie „das macht Sinn“ (statt dies ist sinnvoll), „ein Stück weit“ oder „nicht wirklich“.

Heckl, Reiner W. Sprachdummheiten in der Medizin

3., bearb. u. erw. Aufl., Steinkopff Verlag, Darmstadt 2006 X, 126 S., Softcover, 9,95 Euro.

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