Heparine – ein Beispiel zur Arzneimittelsicherheit


Heike Oberpichler-Schwenk

Heparine – sowohl unfraktionierte als auch niedermolekulare – gehören zu den viel verwendeten Arzneistoffen in der Klinik, zum Beispiel in der Therapie tiefer Venenthrombosen (siehe auch der Beitrag auf Seite 7ff.), bei der Dialyse, zur postoperativen Thromboembolieprophylaxe, zur periinterventionellen Gerinnungshemmung bei marcumarisierten Patienten. Umso größer war die Betroffenheit, als vor etwas über einem Jahr teils schwere, auch tödliche allergische Reaktionen auf bestimmte Chargen unfraktionierten Heparins bekannt wurden. Als Ursache wurden (absichtliche?) Verunreinigungen des Ausgangsstoffs, Rohheparin aus China, mit übersulfatiertem Chondroitinsulfat identifiziert. Da niedermolekulare Heparine ebenfalls aus Rohheparin gewonnen werden, überraschte es nicht, dass mit etwas Verzögerung auch in diesen entsprechende Verunreinigungen gefunden wurden.

Nachdem die betroffenen Heparin-Chargen zurückgerufen worden waren, ging die Zahl der allergischen Reaktionen rasch zurück. Das geht auch aus der Dokumentation eines Ausbruchs Dialyse-assoziierter allergischer Reaktionen in den USA von Mitte November 2007 bis Ende Januar 2008 hervor, die kürzlich veröffentlicht wurde [1]. Die Autoren identifizierten auf 21 Kinderdialysestationen 152 Fälle unerwünschter Reaktionen in Zusammenhang mit Heparin. Die Meldungen hörten schlagartig auf, nachdem neun in diesem Zusammenhang auffällig gewordene Heparin-Chargen zurückgerufen worden waren. Diese stellten sich später als verunreinigt heraus.

Auch in Deutschland wurden als Reaktion auf die Meldung von insgesamt rund 800 allergischen Reaktionen in den USA Heparin-Chargen zurückgerufen, die als möglicherweise betroffen galten. Darüber hinaus wurde im März ein Stufenplanverfahren eingeleitet, in dessen Zug die Hersteller von Heparin-Präparaten verpflichtet wurden, das Ausgangsmaterial – wie von der FDA empfohlen –mithilfe der 1H-NMR-Spektroskopie oder Kapillarelektrophorese auf Verunreinigungen mit übersulfatiertem Chondroitinsulfat zu prüfen. Im April wurde diese Verpflichtung auf niedermolekulare Heparine ausgedehnt und vom Paul-Ehrlich-Institut auf Heparine, die als Hilfsstoffe verwendet werden, übertragen.

Auch auf europäischer Ebene wurde man rasch tätig und verabschiedete im Juli mit Wirkung ab 1. August eine Änderung der Heparin-Monographien des Europäischen Arzneibuchs, die ebenfalls eine Prüfung von Heparin-Natrium und Heparin-Calcium mittels 1H-NMR-Spektroskopie oder Kapillarelektrophorese vorschreibt. Der Redaktionsschluss der deutschen Ausgabe des Europäischen Arzneibuchs 6.0 war zu diesem Zeitpunkt bereits verstrichen, so dass die Änderung im ersten Nachtrag (6.1) erscheinen wird.

Ein interessanter Vorschlag für ein kostengünstiges Screening auf eine Kontamination mit übersulfatiertem Chondroitinsulfat findet sich übrigens in einem aktuellen Beitrag aus dem pharmazeutischen Institut der Universität Kiel [2]. Die Forscherinnen fanden, dass übersulfatiertes Chondroitinsulfat konzentrationsabhängig die Prothrombinzeit (Quick-Wert) von gepooltem Humanplasma verkürzt. Heparin hat auf die Prothrombinzeit keinen wesentlichen Einfluss, würde also den Nachweis nicht stören. Allerdings ist darauf zu achten, dass das Reagenz keine Heparininaktivatoren (Polykationen) enthält, da diese auch übersulfatiertes Chondroitinsulfat inaktivieren. Nach entsprechender Validierung des Verfahrens, so der Vorschlag, könnten damit Heparine in der Klinik bei Verdacht auf eine allergische Reaktion rasch auf eine Verunreinigung geprüft werden.

Quellen

1. Blossom DA, et al. N Engl J Med 2008;359:2674–84.

2. Alban S, Lührn S, N Engl J Med 2008;359:2732–4.

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