Schlaganfall – nach wie vor gilt: „Zeit ist Hirn“


Tanja Saußele

Quellen

1. Foerch C, et al. Die Schlaganfallzahlen bis zum Jahr 2050. Dtsch Arztebl 2008;26:467–73.

2. Prof. Dr. Werner Hacke, Prof. Dr. Martin Grond. Presselunch „Neue Chancen in der Schlaganfall-Akuttherapie“ im Rahmen der 26. Arbeitstagung für Neurologische Intensiv- und Notfallmedizin“ am 23. Januar 2009 in Leipzig.

Nach Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) sterben jährlich weltweit 5,7 Millionen Menschen an den Folgen eines Schlaganfalls. Zudem ist der Schlaganfall in den Industrieländern die häufigste Ursache für schwere Langzeitbehinderungen. Allein in Hessen wird die Zahl der jährlichen Schlaganfallpatienten von derzeit 20846 um 66% auf über 35000 bis zum Jahr 2050 steigen [1].

Das einzige, seit 2002 in Europa zugelassene, Thrombolytikum zur Behandlung eines akuten ischämischen Schlaganfalls ist Alteplase (Actilyse®). Die Zulassung besteht momentan für die Anwendung innerhalb eines Zeitfensters von 3 Stunden nach Symptombeginn. Aktuelle Auswertungen der Überwachungsstudie SIST-MOST (Safe implementation of thrombolysis in stroke-monitoring study) ergaben, dass eine Anwendung von Alteplase 4,5 Stunden nach dem Auftreten eines Schlaganfalls im Vergleich mit einer Behandlung nach spätestens 3 Stunden ebenso sicher ist. In der ECASS-III-Studie (European cooperative acute stroke study) konnte zudem bestätigt werden, dass eine Behandlung im erweiterten Zeitfenster zwischen 3 und 4,5 Stunden, unter Beachtung der Kontraindikationen wie einer intrakraniellen Blutung, eindeutig einen Vorteil gegenüber einer Plazebo-Behandlung hat. Die detaillierten Studienergebnisse finden Sie auf den Seiten 104 ff. in diesem Heft. Ausgehend von diesen Ergebnissen hat die European Stroke Organisation (ESO) den Einsatz von Alteplase bis zu 4,5 Stunden nach dem Einsetzen der Symptome eines ischämischen Schlaganfalls in ihre aktualisierten Leitlinien aufgenommen.

Trotz dieser evidenzbasierten und effektiven Therapiemöglichkeit werden derzeit in Deutschland nur etwa 20% und in den USA weniger als 3% aller Schlaganfallpatienten mit Alteplase behandelt [2]. Der Hauptgrund liegt sicherlich darin, dass die Patienten nicht rechtzeitig, nämlich nach höchstens 2,5 Stunden, eine Klinik erreichen. Ein weiterer Grund mag die mangelnde Überzeugung vieler Ärzte sein, da es bislang wenige Studien gab, die die Wirksamkeit und Sicherheit eindeutig demonstrierten. Auswertungen des größten deutschen Schlafanfallregisters, des Qualitätssicherungsprojekts Schlaganfall Nordwestdeutschland, ergaben, dass nur etwa 30% aller Schlaganfallpatienten innerhalb von drei Stunden eine Klinik erreichen. 20% aller Patienten erreichen ein Krankenhaus zwischen 3 und 6 Stunden und ungefähr weitere 20% zwischen 6 und 24 Stunden. Durch die Erweiterung des Zeitfensters für eine zugelassene Therapie mit Alteplase bis 4,5 Stunden nach dem Auftreten eines ischämischen Schlaganfalls könnten weitere 20% von einer Therapie profitieren [2].

Um für die Zukunft eine schnellere und bessere Versorgung von Schlaganfallpatienten zu gewährleisten, sind vielerlei Maßnahmen notwendig. Moderne bildgebende Verfahren müssen weiterentwickelt werden, um intrakranielle Blutungen sicher und schnell auszuschließen und somit die „door to needle time“, also die Zeit von der Ankunft des Patienten im Krankenhaus bis zur Einleitung der Thrombolyse, zu verkürzen. Untersuchungen haben gezeigt, je früher ein Patient in die Klinik kommt, desto mehr Zeit lassen sich die Ärzte bis zur Behandlung. Das ist jedoch fatal, denn ein zeitabhängiger Therapieerfolg ist erwiesen. Von den Patienten, die innerhalb der ersten Stunde behandelt werden, können 80% das Krankenhaus gesund verlassen. Dennoch muss nicht nur die ärztliche Versorgung verbessert, sondern auch die gesamte Rettungskette optimiert werden. Beispielsweise durch gezielte Aufklärung der Bevölkerung und die sofortige Alarmierung des Rettungsdienstes, damit wertvolle Zeit nicht verloren geht, denn nach wie vor gilt: „Zeit ist Hirn“.

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