Intervention bei ACS: nicht immer alles sofort


Heike Oberpichler-Schwenk

Quellen

Deutsche Gesellschaft für Kardiologie. Pocket-Leitlinie Akutes Koronarsyndrom ohne NST-Hebung (NST-ACS). http://leitlinien.dgk.org/

Mehta SR, et al. Early versus delayed intervention in acute coronary syndromes. N Engl J Med 2009;360:2165–75.

Giugliano RP, et al. Early versus delayed, provisional eptifibatide in acute coronary syndromes. N Engl J Med 2009;360:2176–90.

Das akute Koronarsyndrom (ACS) ist Ausdruck einer akuten mangelhaften Sauerstoffversorgung des Herzmuskels. Leitsymptom ist der typische, anhaltende Brustschmerz. Beruht die Symptomatik auf einem kompletten Gefäßverschluss (erkennbar an einer ST-Streckenhebung im Elektrokardiogramm [EKG]), dann sind rasche Maßnahmen zur Wiedereröffnung des verschlossenen Gefäßes angezeigt (Fibrinolyse, perkutane Koronarintervention [PCI]). Wenn die ST-Hebung fehlt oder eine ST-Senkung vorliegt (NSTE-ACS), gibt die Messung herzmuskelspezifischer Laborparameter Aufschluss darüber, ob ein partieller Gefäßverschluss mit Ischämiefolgen (Nicht-ST-Hebungsinfarkt) oder eine instabile Angina pectoris vorliegt.

Bei NSTE-ACS empfehlen die Leitlinien neben der medikamentösen Soforttherapie (antiischämische Substanzen, Thrombozytenfunktionshemmer, Antikoagulanzien) bei Patienten mit einem mittleren bis hohen Risiko eine Koronarangiographie innerhalb von 72 Stunden (in bestimmten Hochrisikosituationen sofort), um entscheiden zu können, ob eine Revaskularisierung mittels PCI oder Bypass-Operation erforderlich ist. Details zum Vorgehen bei der Intervention sind allerdings noch in der Diskussion. Einen Beitrag dazu liefern zwei Studien, die jetzt im New England Journal of Medicine erschienen sind.

Mehta et al. untersuchten bei 3031 Patienten mit NSTE-ACS, ob eine frühe Koronarangiographie (innerhalb von 24 Stunden) gegenüber einer verzögerten (nach ≥36 Stunden) Vorteile für das Behandlungsergebnis bringt. In 74,4% bzw. 68,7% der Fälle folgte der Angiographie eine Revaskularisierung, und zwar bei etwa vier Fünftel eine PCI, bei etwa einem Fünftel eine Bypass-Operation. Der primäre Endpunkt – Tod, Herzinfarkt oder Schlaganfall in den ersten 6 Monaten nach dem Indexereignis – ereignete sich nach früher Koronarangiographie bei 9,6% und bei verzögertem Vorgehen bei 11,3% der Patienten. Der Unterschied war nicht signifikant (p=0,l5). Ein signifikanter Unterschied ergab sich, wenn wiederkehrende Ischämie (1,0% vs. 3,3%) in die Endpunktdefinition eingeschlossen wurde, was verdeutlicht, dass die Revaskularisierung neben der Prognose auch die Symptomatik verbessert. Nach früher Angiographie war häufiger eine weitere Intervention in den ersten 30 Tagen erforderlich (5,9% vs. 4.2%). Eindeutige Vorteile in Bezug auf den primären Endpunkt hatte das frühe Vorgehen bei Hochrisikopatienten. In Übereinstimmung mit den europäischen Leitlinien zeigen die Ergebnisse, dass die Koronarangiographie bei NSTE-ACS in den meisten Fällen nicht überstürzt zu werden braucht.

Für NSTE-ACS-Patienten mit mittlerem oder hohem Risiko empfehlen die europäischen Leitlinien bereits frühzeitig die Gabe der Glykoprotein-IIb/IIIa-Antagonisten Eptifibatid oder Tirofiban zusätzlich zu oralen Thrombozytenfunktionshemmern. Wie Giugliano et al. in einer großen Doppelblindstudie (n=9492) zeigten, genügt es bei Patienten mit Hochrisiko-NSTE-ACS, die Eptifibatid-Behandlung unmittelbar vor der Koronarangiographie einzuleiten. Ein sofortiger Behandlungsbeginn, obwohl die Angiographie frühestens am folgenden Tag stattfinden sollte, brachte keine Vorteile für den primären Endpunkt (Tod, Herzinfarkt und revaskularisierungsbedürftige wiederkehrende Ischämie innerhalb 96 Stunden sowie antithrombotische Notfallbehandlung während der Intervention). Allerdings waren bei frühzeitiger Eptifibatid-Behandlung das Risiko für (nicht lebensbedrohliche) Blutungen und der Transfusionsbedarf (Erythrozyten) erhöht. Demnach ist auch in Bezug auf die Anwendung des GP-IIb/IIIa-Antagonisten bei NSTE-ACS-Patienten gelassenes Vorgehen angesagt.

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