Wenn das Gehirn „zerfällt“


Heike Oberpichler-Schwenk

Quelle

Yaffe K, et al. Association of plasma b-amyloid level and cognitive reserve with subsequent cognitive decline. JAMA 2011;305:261–6.

Ein Themenschwerpunkt des vorliegenden Hefts sind neurodegenerative Erkrankungen. Der Beitrag für die zertifizierte Fortbildung behandelt die Arzneimitteltherapie bei Demenz mit Lewy-Körperchen und Parkinson-Demenz. Lewy-Körperchen sind lichtmikroskopisch nachweisbare intraneuronale Ablagerungen aus Proteinen und Lipiden, die als einen wesentlichen Bestandteil das Protein Alpha-Synuklein aufweisen. Alpha-Synuklein ist ein relativ kleines Protein (ca. 14 kDa), das normalerweise in Neuronen diffus verteilt vorliegt, vermutlich assoziiert mit synaptischen Vesikeln. In Lewy-Körperchen sind Alpha-Synuklein-Moleküle zu unlöslichen fadenförmigen (fibrillären) Strukturen aggregiert. Diese Aggregate findet man post mortem regelmäßig im Gehirn von Parkinson-Patienten. Man findet sie aber auch, vor allem in der Großhirnrinde, bei einem Teil der Demenz-Patienten. Diese Demenz mit Lewy-Körperchen unterscheidet sich klinisch von der bekannten Alzheimer-Demenz durch das häufige Auftreten von Halluzinationen und Wahnvorstellungen und durch auffällige Schwankungen der Symptome. Außerdem treten bei einem Teil der Patienten motorische Parkinson-Symptome auf. Die Parkinson-Erkrankung geht ihrerseits mit einem erhöhten Risiko für die Entwicklung einer Demenz einher.Die Demenz mit Lewy-Körperchen und die Parkinson-Demenz weisen über das Vorliegen von Lewy-Körperchen hinaus eine Reihe von Gemeinsamkeiten auf, die auch Konsequenzen für die Therapie haben.

Charakteristisch für die Alzheimer-Demenz sind unter anderem Ablagerungen von Beta-Amyloid in Form sogenannter seniler Plaques. Mithilfe spezifischer radioaktiver Markersubstanzen können diese inzwischen positronenemissionstomographisch nachgewiesen werden, wie in dem Beitrag über Biomarker der Alzheimer-Erkrankung (S. 61f.) ausgeführt wird. Die Methode ist allerdings technisch aufwendig und bis auf Weiteres wohl nicht Bestandteil der Routinediagnostik. Die Amyloid-beta-Proteine (Ab1–40 und Ab1–42) kommen auch frei im Liquor und im Plasma vor und sind hier mit einem Immunoassay nachweisbar. Inwieweit damit Aussagen über das Risiko für eine Alzheimer-Erkrankung oder über deren Fortschreiten gemacht werden können, ist Gegenstand der Forschung. Einen aktuellen Beitrag hierzu liefert die Arbeit von Yaffe et al., die kurz vor Fertigstellung dieses Hefts erschienen ist.

In tiefgefrorenen Plasmaproben von fast 1000 Teilnehmern der Health ABC Study bestimmten die Autoren mit dem inzwischen verfügbaren Immunoassay die Konzentration von Ab1–40 und Ab1–42 und setzten sie in Beziehung zu den Ergebnissen wiederholter Tests zur kognitiven Funktion (Modified mini-mental state examination, 3MS). Die Teilnehmer der amerikanischen Kohortenstudie waren bei Studienbeginn 1997/98 durchschnittlich 74 Jahre alt und lebten selbstständig. Die Plasmaproben wurden nach einem Jahr genommen; die kognitiven Tests wurden zu Studienbeginn sowie nach drei, fünf, acht und zehn Jahren durchgeführt. Für die Ab1–42-Konzentration oder den als besonders sensitiv geltenden Ab1–42/Ab1–40-Quotienten zeigte sich kein Zusammenhang mit dem Ausgangswert des kognitiven Tests, aber eine deutliche Assoziation mit dem Verlust kognitiver Fähigkeiten in den Folgejahren (p<0,001). Bei dem Drittel der Teilnehmer mit den niedrigsten Ab1–42/Ab1–40-Quotienten sank der 3MS-Wert um 6,59 Punkte, beim Drittel mit dem höchsten Quotienten nur um 3,60 Punkte (ausgehend von rund 91 Punkten). Eine „kognitive Reserve“ im Sinne einer höheren Schulbildung, einer guten Lesekompetenz (literacy) oder eines fehlenden Apolipoprotein-E4-Allels schwächte den Zusammenhang ab.

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