Bach statt Midazolam?


Dr. med. Peter Stiefelhagen, Hachenburg

Dass Musik Wirkungen auf Herz, Kreislauf und Verhalten entfaltet, ist seit Längerem bekannt. Doch wie genau wirkt Musik? Hat sie „nur“ psychische oder auch physiologische Wirkungen? Und gibt es eine ideale Musik für die Anwendung in der Medizin? Um diese Fragen zu beantworten, wurden in den letzten Jahren mehrere experimentelle Studien sowohl mit Tieren als auch mit Menschen durchgeführt. Prof. Dr. med. Hans-Joachim Trappe, Direktor der Kardiologischen Universitätsklinik der Ruhr-Universität Bochum in Herne, stellte im Rahmen des diesjährigen Seminarkongresses „Interdisziplinäre Intensivmedizin“ in Garmisch-Partenkirchen einige dieser Untersuchungen vor.

In einer Studie erhielten 372 Patienten mit einem geplanten chirurgischen Eingriff als „Prämedikation“ Musik oder Midazolam. Die Wirkung der beiden Therapiestrategien wurde anhand eines Angst-Index evaluiert. In der mit Musik vorbehandelten Gruppe waren die Angstsymptome sowohl vor als auch nach der Operation signifikant geringer als unter Midazolam. Angesichts dieser Beobachtungen stellt sich die Frage, ob vor operativen Eingriffen im Rahmen der Prämedikation Musik eingesetzt werden sollte.

Ob verschiedene Musikarten unterschiedliche Wirkungen entfalten und ob Musikeffekte vorrangig von der „Psyche Mensch“ und somit auch von der individuellen Konditionierung abhängig sind, konnte bisher nicht wissenschaftlich beantwortet werden. Dazu wurden jetzt aber zwei prospektive, randomisierte Studien durchgeführt, deren Ergebnisse Trappe ebenfalls vorstellte.

In der einen Studie wurden Schweine über mehrere Tage entweder mit Musikstücken von Bach oder mit Heavy Metal beschallt. Analysiert wurden zum einen Stress-assoziierte Verhaltensmerkmale wie Wandspringen, Krampfen, Beißen und Umherirren, zum anderen Aktivitäts-assoziierte Faktoren wie Fressen, Schnüffeln und Liegen. Unter der klassischen Musik kam es zu einem signifikanten Anstieg der Aktivitäts-assoziierten Merkmale, unter Heavy Metal dagegen zu einer deutlichen Steigerung der Stress-assoziierten Verhaltensweisen. Unter der Heavy-Metal-Musik hätten die Tiere eine starke Neigung zum Weglaufen entwickelt, berichtete Trappe. Dieses Fluchtverhalten belege in sehr anschaulicher Weise die negativen Effekte dieser Musikrichtung.

In der zweiten Studie wurde dieselbe Musik wie in der Studie mit Schweinen gesunden Probanden vorgespielt, als Stress-Indikatoren wurden dabei allerdings anstelle von Verhaltensmustern die Cortisolspiegel und Herz-Kreislauf-Parameter analysiert. Die Bachkantate führte zu einer Abnahme des Cortisolspiegels, Heavy Metal jedoch nicht. Die Cortisolspiegel unter Heavy Metal entsprachen vielmehr denen bei einer Lärmexposition. In der Gruppe mit klassischer Musik sank der systolische Blutdruck im Durchschnitt um 7,5 mmHg, der diastolische Blutdruck um 4,9 mmHg und die Pulsfrequenz um durchschnittlich 7,4 Schläge/Minute.

Da keines der Versuchstiere zuvor jemals Musik und/oder Geräusche gehört hatte, sind Konditionierungseffekte ausgeschlossen, erläuterte Trappe. Auch die menschliche Psyche spiele für die Musikwirkungen keine wesentliche Rolle.

Aber Klassik ist nicht gleich Klassik: Selbst bei Musik verschiedener Komponisten klassischer Musik wurden durchaus relevante Unterschiede im Hinblick auf die Beeinflussung kardiovaskulärer Parameter nachgewiesen. Nach Trappe wirkt Bach am günstigsten, schwächer wirksam sind Mozart und Strauss.

Die vorliegenden Studienergebnisse öffnen ein Tor zu möglichen neuen therapeutischen Anwendungen von Musik, etwa bei der Schmerztherapie oder auf der Intensivstation.

Quelle

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