Vitamine und Mineralstoffe – Supplementierung mit Maß


Heike Oberpichler-Schwenk

Mikronährstoffsupplemente (Vitamin- und Mineralstoffpräparate) haben viele Abnehmer. Verschiedenen Erhebungen zufolge nehmen 25 bis über 40% der erwachsenen Bevölkerung solche Präparate ein, wie Ströhle und Hahn im Ernährungsforum-Beitrag dieses Hefts schildern. Doch wie groß ist der Bedarf wirklich, welche ernährungsphysiologische Bedeutung haben Mikronährstoffe und wie sind die offiziellen Zufuhrempfehlungen zu interpretieren? Diesen Fragen gehen die Autoren mit Blick auf die Allgemeinbevölkerung nach. Eine Antwort ist, dass hierzulande der Bedarf für die meisten Mikronährstoffe im Durchschnitt ausreichend gedeckt ist. Dennoch erreichen zum Beispiel für Vitamin B1, Vitamin B2 oder Calcium 20 bis 50% der Bevölkerung nicht die empfohlene Zufuhr; bei Folsäure und Vitamin D gilt das sogar für über 75%.

Soweit sich diesen Mängeln nicht durch Veränderungen der Lebensmittelauswahl begegnen lässt, scheint also eine Supplementierung angeraten. Aber welche Dosis ist richtig und ohne Risiko? Diese Frage ist noch immer Forschungs- und Diskussionsgegenstand. Hier zwei Beispiele aus der jüngsten Zeit:

In einer schwedischen Langzeit-Kohortenstudie mit über 61000 Frauen wurde der statistische Zusammenhang zwischen Calciumzufuhr und Sterblichkeit untersucht [1]. Anlässlich einer Mammographie in den Jahren 1987 bis 1990 beantworteten die Frauen, damals durchschnittlich 54 Jahre alt, auch Fragen nach Ernährung und Lebensstil. Die Befragung wurde 1997 wiederholt. In der medianen Beobachtungszeit von 19 Jahren starben knapp 12000 Studienteilnehmerinnen. Im Vergleich mit einer täglichen Calciumzufuhr zwischen 600 und 1000 mg ging eine Calciumzufuhr über 1400 mg/Tag mit einer signifikant erhöhten Mortalität jedweder Ursache einher (Hazard-Ratio [HR] 1,40; 95%-Konfidenzintervall 1,17–1,67). Erhöht war ebenfalls das Risiko für den Tod infolge einer kardiovaskulären Erkrankung (HR 1,49 [1,09–2,02]) und hier insbesondere durch eine koronare Herzkrankheit (HR 2,14 [1,48–3,09]), hingegen nicht durch einen Schlaganfall (HR 0,73 [0,33–1,65]). Besonders deutlich war die Sterblichkeit erhöht, wenn die Frauen bei bereits hoher alimentärer Calciumzufuhr zusätzlich Calciumtabletten (500 mg/Tag) einnahmen (HR 2,57 [1,19–5,55]).

Wird durch die Supplementierung mit Folsäure das Krebsrisiko erhöht? Dies untersuchte eine internationale Forschergruppe in einer Metaanalyse der Daten von fast 50000 Patienten aus 13 Plazebo-kontrollierten Studien [2]. Bedenken über eine krebsfördernde Wirkung waren aufgekommen, weil in Nordamerika, wo seit rund 15 Jahren das Mehl mit Folsäure angereichert wird, in den ersten Jahren nach Einführung dieser Maßnahme vermehrt Kolorektalkarzinome beobachtet wurden. Molekularbiologisch ließe sich dies durch eine proliferationsfördernde Wirkung der Folsäure auf entartete Zellen erklären; andererseits könnte Folsäure Zellen vor einer kanzerogenen Transformation schützen [3]. Die Teilnehmer der metaanalytisch ausgewerteten Studien hatten 0,5 bis 5,0 mg/Tag (in einer Studie 40 mg/Tag) Folsäure eingenommen. Die Behandlungsdauer lag zwischen 2,3 und 7,4 Jahren (gewichteter Mittelwert 5,2 Jahre). Neue Krebsfälle traten bei Folsäure-Einnahme nicht signifikant häufiger auf als in der Plazebo-Gruppe (Rate-Ratio 1,06; 95%-Konfidenzintervall 0,99–1,13; p=0,10) [2]. Die Kommentatoren geben zu bedenken, dass dies immerhin einer Zunahme um 6% entspricht und dass das Konfidenzintervall die Signifikanzgrenze nur knapp unterschreitet [3]. Die Folsäure-Dosis war aber im Vergleich mit der bei uns empfohlenen Zufuhr von 0,4 mg/Tag eher hoch. Das Fazit könnte also lauten: Entwarnung, aber auch Mahnung zur zurückhaltenden Dosierung.

Quellen

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