Delir im Alter – eine diagnostische Herausforderung


Rika Rausch

Der Begriff „Delir(ium)“ (lat. delirare = wahnsinnig sein) wird landläufig meist mit den Folgen zu großen Alkoholkonsums in Verbindung gebracht. Tatsächlich ist die Alkoholintoxikation bzw. der Alkoholentzug aber nur eine von vielen möglichen Ursachen eines Delirs. Der Pschyrembel definiert das Delir als akute, reversible organische Psychose mit Bewusstseins-, Aufmerksamkeits- und Orientierungsstörungen, (v.a. optischen) Halluzinationen, affektiven (Angst, Reizbarkeit, Ratlosigkeit) und vegetativen (Tachykardie, Schwitzen) Störungen, Tremor, motorischer Unruhe und Störungen des Schlaf-Wach-Rhythmus [1]. Die Symptome sind Ausdruck einer Funktionsstörung des Gehirns. Mögliche Ursachen sind, wie Dr. med. Lutz Drach, Chefarzt für Alterspsychiatrie der Helios-Kliniken in Schwerin, im Übersichtsbeitrag dieses Hefts ausführt, zum Beispiel Sauerstoffmangel, Substratmangel (Hypoglykämie), Exsikkose, Arzneistoffe mit anticholinerger oder dopaminerger Wirkung, Infekte und Schädigung bestimmter Hirnareale.

Mit zunehmendem Alter steigt das Risiko für die Entwicklung eines Delirs, wohl wegen der abnehmenden kompensatorischen Fähigkeiten des Organismus. Schätzungen zufolge erleiden 40% der hochaltrigen, hospitalisierten Patienten ein Delir; für diese Kohorte ist es die häufigste Ursache einer akuten kognitiven Dysfunktion im Klinikumfeld [2]. Für den älteren Menschen bedeutet es eine zusätzliche Belastung bis hin zu einer deutlich erhöhten Mortalität. Eine kürzlich publizierte Metaanalyse identifizierte eine Reihe weiterer Risikofaktoren, darunter Komorbidität, Polypharmazie, Harnkatheterisierung, niedriger Albuminspiegel und langer Krankenhausaufenthalt [2]. Eine besonders deutliche Korrelation ergab sich für das Auftreten eines Delirs bei Patienten mit Demenz (gepoolte Odds-Ratio 6,62; 95%-Konfidenzintervall 4,30–10,19).

In der Praxis ist die korrekte Diagnose eines Delirs wegen der vielgestaltigen Symptome eine Herausforderung. Gerade bei alten Patienten kann hier fälschlich an eine Demenz gedacht werden, da sich die klinischen Symptome auf den ersten Blick ähneln (u.a. Gedächtnisstörungen, Orientierungslosigkeit). Allerdings sollte es eigentlich nicht passieren – wie im persönlichen Umfeld erlebt –, dass einer 87-Jährigen mit massiven Herzrhythmusstörungen im Zustand nach dreitägiger Nahrungskarenz der Stempel „Demenz“ angeheftet wird, weil sie unzusammenhängend antwortet. Differenzialdiagnostisch lässt sich ein Delir durch einen akuten Krankheitsbeginn und einen fluktuierenden Verlauf mit einer Störung des Tag-Nacht-Rhythmus vom demenziellen Syndrom abgrenzen [3].

Als eine einfache Screening-Methode stellte sich in einer Studie der MOTYB(months of the year backwards)-Test heraus, bei dem die Patienten aufgefordert werden, die Monate des Jahres zunächst vorwärts von Januar bis Dezember und anschließend rückwärts aufzuzählen [4]. Besondere Aufmerksamkeit sollte denjenigen gewidmet werden, die die Monate bis Juli nicht fehlerfrei aufsagen können. Der Test eignete sich vor allem für Patienten mit Demenz, bei einer Sensitivität von 83,3% und einer Spezifität von über 90%.

Die wichtigste Therapiemaßnahme beim Delir ist neben der Stabilisierung des somatischen Zustands die Ausschaltung der zugrunde liegenden Noxe (z.B. Flüssigkeitszufuhr, Absetzen anticholinerger Arzneimittel) [3]. Pflegepersonal und Angehörige sollten für Anzeichen eines sich anbahnenden deliranten Zustands sensibilisiert werden, um rechtzeitig präventive Maßnahmen zu ergreifen. Eine ruhige und sichere Umgebung erhöht den Therapieerfolg. In schweren Fällen kann eine Pharmakotherapie der psychischen Symptome nötig sein. Welche Arzneistoffe hier zum Einsatz kommen, erfahren Sie im Übersichtsartikel ab Seite 124.

Literatur

Liebe Leserin, lieber Leser, dieser Artikel ist nur für Abonnenten der MMP zugänglich.

Sie haben noch keine Zugangsdaten, sind aber MMP-Abonnent?

Registrieren Sie sich jetzt:
Nach erfolgreicher Registrierung können Sie sich mit Ihrer E-Mail Adresse und Ihrem gewählten Passwort anmelden.

Jetzt registrieren