Saskia Fechte, Stuttgart

Foto: privat
In einer Fortbildung, die ich besuchte, fragte die Referentin, wer von den Teilnehmern Antidepressiva einnehmen würde, von denen als UAW ziemlich sicher eine Gewichtszunahme zu erwarten sei. Die Antwort spaltete die Anwesenden klar in zwei Lager: Für die meisten war allein die Vorstellung, durch die medikamentöse Therapie zuzunehmen, ein Graus und erzeugte strikte Ablehnung. Nur diejenigen, die selbst schon Depressionen erlebt hatten, waren bereit, zusätzliche Kilos auf den Hüften als das kleinere Übel in Kauf zu nehmen. Diese Mini-Umfrage ist selbstverständlich nicht repräsentativ, sie zeigt jedoch deutlich die Angst auf Patientenseite vor Gewichts-Konsequenzen, wie wir sie ebenso bei den Themen Rauchstopp und „Cortison“ kennen – auch dann, wenn man selbst vom Fach ist und es reflektierter einordnen müsste.
Ein bekanntes Phänomen übrigens auch bei „der Pille“. Noch immer hält sich der Mythos der dickmachenden hormonellen Verhütungsmethode hartnäckig. Unter anderem das IQWiG bescheinigt modernen oralen Kontrazeptiva aber kaum einen Einfluss auf das Körpergewicht [2]. Eine Cochrane-Analyse zur Wirkung von kombinierten hormonellen Kontrazeptiva auf das Körpergewicht konnte ebenfalls keinen kausalen Zusammenhang mit einer Zunahme des Körpergewichts beziehungsweise des BMI nachweisen [1]. Zu einem ähnlichen Ergebnis kam eine weitere Cochrane-Analyse zu oralen/subkutanen Gestagen-Monopräparaten. Lediglich Studien zur Dreimonatsspritze mit Depot-Medroxyprogesteronacetat (DMPA) bei erwachsenen Anwenderinnen beschrieben einen Gewichtsanstieg in Abhängigkeit der Dauer der Anwendung. Allerdings trat dieser hauptsächlich ein, wenn im Vorfeld bereits eine Adipositas vorlag.
Compliance ist das Schlüsselwort. Nicht jeder Escitalopram-Anwender muss zwangsläufig kiloweise zunehmen, nur weil ein derartiger Hinweis existiert. In der Apotheke kann eine ehrliche und kompetente Beratung diesbezüglich die Prioritäten verdeutlichen, Ängste (ernst)nehmen und die Weichen für eine erfolgreiche Therapie stellen. Nicht zuletzt sind Sie generell für Fragen zum Körpergewicht eine wichtige Anlaufstelle, gegebenenfalls sogar mit einer zertifizierten Ernährungsberatung in Ihrem Portfolio. Der gewichtige Nebeneffekt bei manchen Medikationen lässt sich nicht schönreden oder wegdiskutieren. Da ein höheres Körpergewicht eben nicht nur Optik und Kleidergröße verändert, sondern bestehende gesundheitliche Probleme verschärfen oder ganz neue auf den Plan rufen kann, müssen die Risiken rund um Übergewicht und Adipositas auf jeden Fall kommunziert und gegebenenfalls behandelt werden. Bekannte Gegenmaßnahmen gibt es. Welche Stellschrauben insbesondere unter Antipsychotikagabe nützlich sind, erfahren Sie in der Übersicht "Behandlung von Antipsychotika-induzierter Gewichtszunahme" in dieser Ausgabe.
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