EditorialF. Markus Leweke, Mannheim, und Walter E. Müller, Frankfurt

Bipolare Störungen

Medizin meets PharmazieJuliane K. Müller und F. Markus Leweke, Mannheim

Klinik bipolarer Erkrankungen

Symptomatik, Verlauf und Differenzialdiagnose

Bipolare Störungen sind schwerwiegende psychische Erkrankungen, die durch wechselnde depressive, manische oder gemischte Episoden gekennzeichnet sind. Die Erkrankung betrifft etwa 1 bis 2% der Bevölkerung. Bipolar-I-Störungen, bei denen manische und depressive Episoden auftreten, betreffen Männer und Frauen gleich häufig, Bipolar-II-Störungen sind bei Frauen häufiger und gekennzeichnet durch hypomane und depressive Episoden. Diese Einteilung wird je nach Ausprägung der Symptomatik und Häufigkeit der Krankheitsepisoden vorgenommen. Sind mehr als vier Krankheitsphasen in einem Jahr zu beobachten, spricht man von Rapid Cycling, bei hypomanen und subdepressiven Phasen über zwei Jahre hinweg von Zyklothymie. Im Rahmen der Diagnostik sind neben einer sorgfältigen psychiatrischen Anamnese weitere Untersuchungen sinnvoll, um verschiedene psychiatrische wie auch somatische bzw. neurologische Erkrankungen differenzialdiagnostisch ausschließen zu können. Häufig wird der Krankheitsverlauf der bipolaren Störungen durch psychiatrische wie auch somatische Komorbiditäten erschwert. Die Prognose der Erkrankungen richtet sich nach deren Verlauf, insbesondere scheinen sich jedoch psychotische Symptome und zusätzliche Komorbiditäten (wie z.B. Substanzmissbrauch) negativ auszuwirken.

FlaggeEnglish abstract

Bipolar disorder: clinical overview

Bipolar disorder is a severe psychiatric disorder, characterized by depressive, manic and mixed episodes. The illness affects about 1-2 % of the population. Bipolar I disorders affect both genders equally, whereas bipolar II disorders seem to occur more frequently in women. The classification of the different subtypes of bipolar disorders is done depending on the severity and frequency of the episodes. Other subtypes beside bipolar I and bipolar II disorder are rapid cycling (more than 4 episodes of mania, depression, hypomania or mixed state in one year) and cyclothymia (hypomanic and subdepressive symptoms over a two year period). Besides a thorough psychiatric and neurological examination, further clinical tests should be performed in order to exclude differential diagnosis (psychiatric as well as neurological and somatic diseases).

The course of the illness is often negatively affected by the high frequency of psychiatric and somatic comorbidities. After all the prognosis of bipolar disorder is depending on the individual course of the illness. Notably comorbidities and psychotic symptoms seem to have a negative influence on the prognosis.

Medizin meets PharmazieWalter E. Müller, Frankfurt a. M., und Juliane K. Müller, Mannheim

Bipolare Störungen: Basiswissen

Aktueller Forschungsstand zu Genetik, Neurobiologie und Pharmakologie

Bipolare Störungen sind häufige psychiatrische Erkrankungen und weisen eine Gesamtheritabilität von etwa 80% auf. Die genetische Belastung verteilt sich allerdings auf sehr viele Risikogene, sodass krankheitsspezifische Suszeptibilitätsgene nicht bekannt sind. Auffallend ist allerdings, dass viele der implizierten Gene für Proteine kodieren, die in die synaptische Plastizität, in die mitochondriale Funktion, in die Funktion biogener Amine, besonders auch Dopamin, und in die Funktion von Calciumkanälen eingebunden sind. Dies geht parallel mit Befunden zu neurobiologischen Veränderungen bei bipolaren Patienten, die in die gleichen Funktionsebenen weisen, ohne dass man allerdings eine gemeinsame Veränderung im Gehirn bipolarer Patienten annehmen kann. Eine gewisse Ausnahme bilden Störungen der mitochondrialen Funktion und damit verbunden der synaptischen Plastizität, die möglicherweise einen übergeordneten Mechanismus für viele der Einzelbefunde darstellen können. Ebenso heterogen sind die zur Therapie der bipolaren Störung eingesetzten Substanzen wie Antipsychotika, Antidepressiva, Lithium und bestimmte Antikonvulsiva (Stimmungsstabilisatoren). Während bei den Antipsychotika (Dopamin[D2]-Rezeptor-Blockade) und bei den Antidepressiva (Verbesserung der Neuroplastizität über Effekte auf Serotonin und Noradrenalin) die Wirkungsmechanismen eher nicht unterschiedlich sind, spielen bei den eingesetzten Antikonvulsiva die antikonvulsiven Mechanismen wahrscheinlich nur eine geringe Rolle. Im Vordergrund stehen hier wie auch für Lithium wiederum Effekte auf die neuronale Plastizität und mitochondriale Funktion.

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Basic data for bipolar disorders: genetics, neurobiology and pharmacology

Bipolar disorders are quite common (lifetime prevalence 1–2%) and have a substantial genetic risk (total heritability about 80%). However, the contribution of individual genes to the total genetic risk is very small. Accordingly, no specific genes are known which show a larger contribution. Nevertheless, many of the known genes involved encode for proteins important for neural plasticity, mitochondrial function, dopaminergic neurotransmission and calcium channels. Similarly, the few data about neurobiological alterations in the brains of bipolar patients also point into the same direction. However, these observations are not very specific. A possible exception might be mitochondrial dysfunction seen in bipolar patients, which could integrate several of the other findings into one concept. The pharmacology of the drugs used to treat bipolar disorders is also not pointing to one common mechanism of action. While the mechanisms of action of antidepressants and antipsychotics probably are not different from the mechanisms relevant to treat depression and schizophrenia, the mechanisms of the anticonvulsants used in bipolar disorders (valproic acid, carbamazepine, lamotrigine) are probably different from their mechanism of action as anticonvulsant drugs. More likely, these drugs improve neuronal plasticity similarly to lithium and antidepressants.

Medizin meets PharmazieJuliane K. Müller und F. Markus Leweke, Mannheim

Therapie bipolarer Störungen

Behandlung von akuten Manien, depressiven Episoden und gemischten Zuständen sowie Rezidivprophylaxe

Die Behandlung der bipolaren Störung richtet sich zunächst nach der in der akuten Phase vorherrschenden Symptomatik (Depression, Hypomanie, Manie, gemischte Episode oder Rapid Cycling), häufig gefolgt von einer phasenprophylaktischen Langzeittherapie. Die phasenspezifischen Anforderungen an die Therapie verbunden mit dem Ziel einer möglichst nebenwirkungsarmen Langzeitprophylaxe stellen die Schwierigkeiten der Behandlung dar. Von den stimmungsstabilisierenden Wirkstoffen, die phasenübergreifend eingesetzt werden, müssen solche Substanzen abgegrenzt werden, die nur in der akuten Phase verordnet werden sollten. Zu diesen zählen zum einen Antidepressiva, zum anderen Benzodiazepine und klassische Antipsychotika, wenn auch letztere als Ultima Ratio anzusehen sind. Neben den „klassischen“ Stimmungsstabilisierern wie Lithium oder bestimmten Antikonvulsiva stehen neuerdings auch einige atypische Antipsychotika zur Phasenprophylaxe bei der Behandlung der bipolaren Störung zur Verfügung.

Medizin meets PharmazieMartina Hahn und Sibylle C. Roll, Eltville

Akut manischer Patient nach Absetzen von Lithium

Ein bipolar affektiv erkrankter Patient wird aufgrund einer akuten manischen Episode in eine psychiatrische Klinik eingewiesen. Dort wird festgestellt, dass er die ihm verordnete Medikation nicht mehr regelmäßig eingenommen hatte.

FlaggeEnglish abstract

A patient with acute mania after discontinuation of lithium

The abrupt discontinuation of lithium in patients with bipolar disease puts the patient at a high risk for a relapse. Lithium is a drug with a narrow therapeutic index. Intoxications might occur during the treatment. The individual risk-benefit-ratio should be discussed with the patient before starting lithium. Atypical antipsychotics are an alternative to lithium in the treatment of bipolar disease. Several guidelines recommend the use of atypical antipsychotics in a long acting (depot) formulation in bipolar patients (off label use). The long acting (depot) formulations offer the benefit that during a hypomanic or a beginning manic episode, the drug can not easily be discontinued. During the phase of early signs of a beginning manic episode the patients tend not to see the need to take any medication (lack of insight into illness) which leads to non-adherence that puts the patient at a high risk for a manic episode. If lithium is prescribed, special counselling is needed, especially about fluid intake and potential drug interactions (NSAIDS, ACE-inhibitors, diuretics).

BerichtMartin Storr, Starnberg

Protonenpumpeninhibitoren

Risiken und Nebenwirkungen

Zahlreiche Protonenpumpeninhibitoren wie Omeprazol, Pantoprazol, Rabeprazol, Lansoprazol und Esomeprazol werden in verschiedensten Indikationen verwendet. Sei es zur Behandlung von Sodbrennen, Refluxösophagitis, Ulcera ventriculi oder duodeni, dyspeptischen Beschwerden oder zum Schutz gegenüber Magennoxen, wie einer Glucocorticoidtherapie oder einer Therapie mit nichtsteroidalen Antirheumatika (NSAR). Protonenpumpeninhibitoren sind in der kurz- und langfristigen Therapie bei diesen Indikationen wirkungsvoll und häufig unausweichlich. Dabei stellt sich gerade in der langfristigen Therapie die Frage nach den möglichen langfristigen Folgen einer protrahierten Einnahme von Protonenpumpeninhibitoren. Im Folgenden wird die Arzneimittelgruppe der Protonenpumpeninhibitoren vor dem Hintergrund ihrer Arzneimittelinteraktionen und Nebenwirkungen beleuchtet.

Referiert & kommentiertHelga Vollmer, M.A., München

Gastroösophageale Refluxkrankheit

Reflux therapieren – eine Therapielücke schließen

Sodbrennen gilt als „Volkskrankheit“, die jeder kennt. Dennoch werden rund 40% der Patienten, die wegen Refluxbeschwerden ärztliche Hilfe suchen, unbefriedigend therapiert. Auf einem von Reckitt Benckiser unterstützten Presse-Workshop wurde für diese Patienten die Behandlung mit Alginaten jenseits oder neben Protonenpumpenhemmern als eine Erfolg versprechende Lösung vorgestellt.

Referiert & kommentiertProf. Dr. Eugen Verspohl, Münster

Depressionen

Ketamin geeignet zur Depressionsbehandlung?

Herkömmliche Antidepressiva haben vor allem den Nachteil, dass der Therapieeffekt zeitlich verzögert eintritt. Das Narkotikum Ketamin könnte hier eine Lücke schließen, da es innerhalb von Stunden eine Depression und die zu Therapiebeginn auftretende Suizidalität reduzieren kann.

Referiert & kommentiertDr. med. Peter Stiefelhagen, Hachenburg

Antipsychotika

Lassen „Psychopillen“ das Gehirn schrumpfen?

Antipsychotika sind für die Behandlung psychotischer Störungen unverzichtbar. Sie beeinflussen aber nicht nur die Funktion, vielmehr scheinen sie auch die Struktur des Gehirns zu verändern, genauer, sie vermindern das Hirnvolumen. Doch sind diese strukturellen Veränderungen auch krankheits- oder nur medikamentös bedingt? Diese Frage wurde im Rahmen eines Symposiums beim Kongress der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN) 2015 in Berlin diskutiert.

Referiert & kommentiertClaudia Borchard-Tuch, Zusmarshausen

Kopfschmerzen bei Kindern und Jugendlichen

Möglichkeiten der altersgerechten Therapie

Im Rahmen eines Symposiums der Initiative Schmerzlos im April 2016 in Tutzing wurde dargelegt, dass es neben einer häufig vorkommenden Migräne seltene idiopathische Kopfschmerzerkrankungen im Kindes- und Jugendalter gibt. Sowohl bei der Migräne als auch bei den idiopathischen Kopfschmerzen ist eine individualisierte Therapie von Bedeutung.

Referiert & kommentiertMichael Koczorek, Bremen

Seltene Thrombozytenstörungen

rFVIIa wirksam und sicher in der Blutstillung bei Glanzmann-Thrombasthenie

Der rekombinante Faktor VIIa (rFVIIa) ist in der Behandlung und Prävention von nichtchirurgischen und chirurgischen Blutungen wirksam und verträglich. Das zeigt das internationale, prospektive Thrombasthenie-Glanzmann-Register, das Daten zur Effektivität und Sicherheit des Gerinnungsfaktors, von Antifibrinolytika und Thrombozytentransfusionen bei Patienten mit der erblichen Thrombozytenstörung sammelt. Detaillierte Ergebnisse wurden bei einem von Novo Nordisk unterstützten Symposium in Münster präsentiert.