EditorialRika Rausch

Die Ratte und das Gift

ÜbersichtAlexander Ströhle, Hannover

Natriumzufuhr, Blutdruck und kardiovaskuläre Ereignisse

Neue Daten beflügeln Salzkontroverse

Zu viel Salz in der Nahrung erhöht den Blutdruck und schädigt langfristig das Herz-Kreislauf-System. Fachgremien der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und der American Heart Association (AHA) haben sich daher für einen Zielwert von 1500 bis 2000 mg Natrium pro Tag (entspricht 4 bis 5 g Kochsalz täglich) ausgesprochen – eine Empfehlung, die von wachsender Kritik begleitet wird. Drei kürzlich im New England Journal of Medicine veröffentlichte Arbeiten sowie eine in der diesjährigen Septemberausgabe des American Journal of Hypertension publizierte Metaanalyse haben der seit langem schwelenden Salzkontroverse neue Nahrung geliefert. Salz – Freund oder Feind der Gesundheit?

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Sodium intake, blood pressure and cardiovascular events

High dietary salt intake increases blood pressure and impairs cardiovascular health in the long-run. Therefore, the World Health Organization (WHO) and the American Heart Association (AHA) have argued for a target of 1500-2000 mg of sodium per day (4-5 g sodium chloride daily). However, this recommendation is accompanied by a growing criticism. Recently, two papers published in the New England Journal of Medicine and a meta-analysis published in the September issue of the American Journal of Hypertension have flared up the "salt controversy". This paper presents an overview of recent study results.

ÜbersichtIngo Stock, Bonn

Yersinia pestis und die Pest

Ein Update

Die Pest des Menschen ist eine schwere, systemische Infektionskrankheit, die ohne antibakterielle Behandlung mit einer hohen Letalität einhergeht. Der Erreger, Yersinia pestis, ist ein unbewegliches, gramnegatives Bakterium, das zur Familie der Enterobacteriaceae gehört. Y. pestis kommt in der Natur in vielen Nagetierarten und einigen anderen Kleinsäugern vor. Innerhalb der Population eines Reservoirwirts zirkuliert Y. pestis mithilfe von Vektoren (z.B. Rattenfloh). Der Erreger kann durch Flöhe, aber auch ohne einen Vektor auf den Menschen übertragen werden. Eine Mensch-zu-Mensch-Transmission von Y. pestis findet vor allem durch Aerosole statt. Im Vergleich zu den Zeiten, in denen die Pest pandemisch auftrat, ist die Erkrankung heute selten und weitgehend auf einige ländliche Regionen Afrikas beschränkt. In den letzten zehn Jahren wurden allerdings in manchen afrikanischen Gegenden vermehrt Pestausbrüche registriert. Zur antibakteriellen Therapie der Pest können Streptomycin, Chloramphenicol, Doxycyclin, Gentamicin und Ciprofloxacin eingesetzt werden.

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Yersinia pestis and plague – an update

The plague of man is a severe, systemic bacterial infectious disease. Without antibacterial therapy, the disease is associated with a high case fatality rate, ranging from 40% (bubonic plague) to nearly 100% (septicemic and pneumonic plague). The disease is caused by Yersinia pestis, a non-motile, gram-negative, facultative anaerobic bacterium belonging to the family of Enterobacteriaceae. In nature, Y. pestis has been found in several rodent species and some other small animals such as shrews. Within its reservoir host, Y. pestis circulates via flea bites. Transmission of Y. pestis to humans occurs by the bite of rat fleas, other flea vectors or by non vectorial routes, e. g., handling infected animals or consumption of contaminated food. Human-to-human transmission of the pathogen occurs primarily through aerosol droplets. Compared to the days when plague was a pandemic scourge, the disease is now relatively rare and limited to some rural areas of Africa. During the last ten years, however, plague outbreaks have been registered repeatedly in some African regions. For treatment of plague, streptomycin is still considered the drug of choice. Chloramphenicol, doxycycline, gentamicin and ciprofloxacin are also promising drugs. Recombinant vaccines against plague are in clinical development.

Fortbildung WissensbasierungJudith Günther, Birgit Schindler, Freiburg, und Katja Suter, Basel

Qualitätsbewertung klinischer Studien

Ergebnisqualität: Wie man die Spreu vom Weizen trennt (Teil 2)

Die Qualitätsbewertung einer Studienpublikation (critical appraisal) umfasst mehrere Arbeitsschritte: Methodenprüfung, Ergebnisprüfung, Abschätzung von Nutzen und Schaden für den individuellen Patienten. Wenn Sie im ersten Arbeitsschritt feststellen, dass systematische Verzerrungsmöglichkeiten der Studienergebnisse mit hoher Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen sind, lohnt es sich, den Artikel vollends durchzuarbeiten. Im zweiten Arbeitsschritt befassen Sie sich eingehend mit Art und Größe des Wirkeffekts und seiner Ergebnissicherheit. Klinische Studien nutzen verschiedene Zielgrößen, um den Effekt einer Intervention zu beschreiben. Aber: Nicht alle Zielgrößen, die untersucht, oder Unterschiede, die zwischen Behandlungsgruppen gefunden werden, sind wichtig für die Therapieentscheidung eines Patienten. Im letzten Arbeitsschritt wird das Studienergebnis für den individuellen Patienten in Bezug auf Nutzen und Schadenwirkungen interpretiert. Während die Qualitätsprüfung von Studienmethodik und Studienergebnis anhand formaler Kriterien erfolgen kann, bedarf es bei der Übertragung von Studienergebnissen auf den individuellen Patienten eines therapeutischen Werteurteils, mit dessen Hilfe eine Empfehlung ausgesprochen werden kann – angepasst an die individuellen Gegebenheiten, Wünsche und Vorstellungen des Patienten.

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Evidence-based pharmacy – Assessement of quality and clinical relevance of study results

The critical appraisal of a study publication includes several steps: quality inspection of the study methodology, examination of the results, assessments of benefit and harm for the individual patient. If the first step of the "critical appraisal" determines, that different sources of bias were successfully eliminated or minimized in the study conduct, it is worthwhile to work through the article completely. In the second step, the size and confidence of the study results have to be examined in detail. Different outcome measures are used to describe the effect of an intervention in clinical trials. However, not all endpoints studied, or differences that are found between treatment groups, are important for the decision making of a patient. In the last step, the study results are interpreted for the individual patient in terms of the expected benefits and possible harms. While the control of methodical quality and the effect size of study outcomes may be based on formal criteria, professional value judgement is necessary for the transfer of study results to an individual patient, by which a recommendation can be made, adapted to the individual circumstances, needs and expectations of the patient.

Fragen aus der Praxis

Ist hochdosierte, peroral applizierte Alendronsäure schmerzlindernd?

Aus dem geschilderten Fall ergeben sich drei Fragen: Um welche Leitlinie handelt es sich? Wie ist diese Leitlinienempfehlung einzuordnen? Welche sozialrechtlichen und pharmakologischen Besonderheiten ergeben sich aus dieser Verordnung?

Referiert & kommentiertDr. Ingo Stock, Bonn

Poliomyelitis-Eradikation

Neue Poliovirus-Variante unterläuft Impfschutz

2010 fand in der Republik Kongo ein Poliomyelitis-Ausbruch statt. Obwohl viele der Betroffenen zuvor mindestens eine Dosis der oralen Polio-Vakzine erhalten hatten, starben 47% der Erkrankten. Eine internationale Arbeitsgruppe unter Leitung der Universität Bonn wies nun in Virusstämmen von Patienten, die an den Folgen der Erkrankung gestorben waren, eine zuvor unbekannte Kombination von Aminosäureaustauschen in für ein Oberflächenprotein des Virus kodierenden Genen nach. Neutralisationstests zeigten, dass die Antikörper-Titer bei in Deutschland Geimpften auch bei bestmöglichem Immunschutz in einigen Fällen nicht ausgereicht hätten, um eine Infektion mit dem mutierten Erreger zu verhindern. Die Ergebnisse wurden im August dieses Jahres in den Proceedings of the National Academy of Sciences (USA) vorgestellt.

Referiert & kommentiertRika Rausch, Stuttgart

Schizophrenie

Aripiprazol-Depot für mehr Kontinuität

Depotformulierungen von Antipsychotika kommen in der Erhaltungstherapie der Schizophrenie mit dem Bestreben zum Einsatz, konstante Blutspiegel zu erreichen und die Adhärenz der Patienten zu verbessern. Aufgrund ihrer guten Wirksamkeit und Verträglichkeit nehmen atypische Antipsychotika der zweiten Generation heute einen festen Stellenwert in der Behandlung von Psychosen ein. Auf einer Presseveranstaltung der Firmen Otsuka und Lundbeck wurde die Depot-Formulierung von Aripiprazol (Abilify Maintena®) vorgestellt und die Vorteile hinsichtlich einer konsequenten Langzeittherapie diskutiert.

Referiert & kommentiertReimund Freye, Baden-Baden

Nicht tumorbedingte Schmerzen

Opioide zielgerichtet und rational einsetzen

Opioide wurden hierzulande auch bei starken Schmerzen lange Zeit mit großer Zurückhaltung verordnet. Dies hat sich geändert; allerdings wird den Ärzten nun eine allzu großzügige Verordnungspraxis dieser Substanzklasse vorgeworfen – insbesondere bei der Behandlung von Nicht-Tumorschmerzen. Dass Ärzte auch in dieser Indikation starke Opioide zielgerichtet und rational einsetzen, erbrachte 2013 eine Querschnittsbefragung, an der schmerztherapeutisch tätige Ärzte im gesamten Bundesgebiet teilnahmen. Die betreffende Leitlinie wurde kürzlich unter Federführung der Deutschen Schmerzgesellschaft (DGSS) aktualisiert.

Referiert & kommentiertMichael Koczorek, Bremen

Metastasiertes Adenokarzinom des Pankreas

Modifiziertes Paclitaxel in Kombination mit Gemcitabin verlängert Überleben

Für die Erstlinienbehandlung des metastasierten Adenokarzinoms des Pankreas ist seit Dezember 2013 eine neue, effektive Therapieoption verfügbar: Die Kombination aus nab-Paclitaxel (Abraxane®) plus Gemcitabin verlängert das Überleben betroffener Patienten signifikant um 2,1 Monate. Das zeigt die Studie MPACT (Metastatic pancreatic adenocarcinoma clinical trial), die die Basis der europäischen Zulassung darstellt und deren Daten auf einem Symposium der Celgene GmbH in Berlin präsentiert wurden.

Referiert & kommentiertDr. Katrina Recker, Hamburg

Systemische Sklerose

Bosentan verhindert auch langfristig neue Fingergeschwüre

Die Prävention neu auftretender digitaler Ulzerationen (DU) als sichtbare Komplikation der systemischen Sklerose (SSc) ist ein wichtiges und mit dem Endothelin-Rezeptorantagonisten Bosentan erreichbares Behandlungsziel. Das zeigen die Daten des umfangreichen Studienprogramms RAPIDS-1 und RAPIDS-2, wonach die Gabe von Bosentan die Anzahl neu auftretender digitaler Ulzera senkt und die Lebensqualität der Betroffenen signifikant verbessert. Langzeitdaten sprechen zudem für einen langfristigen präventiven Effekt von Bosentan, wie bei einem Pressegespräch der Firma Actelion Pharmaceuticals berichtet wurde.

Referiert & kommentiertProf. Dr. Martin Storr, München

Kollagene Kolitis

Das lokal wirksame Budesonid ist Mesalazin und Plazebo überlegen

Die kollagene Kolitis ist eine chronisch-entzündliche Darmerkrankung, die mit wässrigen Durchfällen einhergeht und zur Gruppe der mikroskopischen Kolitiden gehört. Viele der Betroffenen sind ältere Patienten weiblichen Geschlechts. Budesonid ist derzeit die Standardtherapie bei dieser Erkrankung, vergleichende Studien zu anderen möglichen Wirkstoffen gab es bis vor kurzem nicht. Miehlke et al. berichten in der Zeitschrift Gastroenterology über eine multizentrische, Plazebo-kontrollierte klinische Studie, in der Budesonid, Mesalazin und Plazebo in der Behandlung der kollagenen Colitis verglichen wurden [1].

Referiert & kommentiertProf. Dr. Martin Storr, München - Mit Autorenkommentar

Colitis ulcerosa

Infliximab-Azathioprin-Kombinationstherapie ist den Monotherapien überlegen

Das Biologikum Infliximab und das Immunsuppressivum Azathioprin sind in der Therapie der Colitis ulcerosa etablierte Arzneimittel. Die Kombination der beiden Arzneistoffe wird in der Therapie in Einzelfällen angewendet. Die Wirksamkeit der Kombinationstherapie wurde bisher noch nicht mit der Wirksamkeit der Monotherapien verglichen und ein direkter Vergleich der beiden Monotherapien untereinander ist bisher auch noch nicht erfolgt. Panaccione et al. haben in der Zeitschrift Gastroenterology die Daten einer klinischen Studie zu einer solchen Kombinationstherapie vorgestellt [1].

Referiert & kommentiertProf. Dr. Martin Storr, München

Reizdarmsyndrom

Rifaximin ist sicher in der Behandlung des Reizdarmsyndroms ohne Obstipation

Das Antibiotikum Rifaximin kann klinischen Studien zufolge in der Behandlung des Reizdarmsyndroms ohne Obstipation verwendet werden, insbesondere wenn Blähungen und Diarrhö im Vordergrund stehen. In der Zeitschrift Alimentary Pharmacology and Therapeutics fassen Schoenfeld et al. [1] zusätzliche Daten zu Sicherheit und Verträglichkeit von Rifaximin zur Behandlung von Patienten mit einem Reizdarmsyndrom ohne Obstipation zusammen.

Referiert & kommentiertProf. Dr. Roland Büttner, Bogen - Mit Autorenkommentar

Diabetes mellitus Typ 2

Empagliflozin erweitert die Optionen für die orale Behandlung

Seit Mai 2014 ist Empagliflozin für die Behandlung von erwachsenen Patienten mit Diabetes mellitus Typ 2 zugelassen. Der SGLT2-Hemmer mindert die Glucoselast unabhängig von der Betazellfunktion, der Insulinresistenz und bereits bestehenden blutzuckersenkenden Therapien und ist sowohl zur Monotherapie bei Metformin-Unverträglichkeit als auch zur Add-on-Therapie zugelassen. Die zugrunde liegenden Studiendaten wurden auf einer von der Firma Boehringer Ingelheim veranstalteten Pressekonferenz referiert.

Referiert & kommentiertRosemarie Ziegler, Albershausen

Diabetes mellitus Typ 2

Insulin oder Sulfonylharnstoff zur Intensivierung der Metformin-Behandlung?

In einer retrospektiven Studie wurden die Daten einer großen Kohorte diabetischer Veteranen verglichen, die nach ihrer initialen Metformin-Monotherapie entweder einen Sulfonylharnstoff oder Insulin zufügen mussten. Herzinfarkte und Schlaganfälle kamen in beiden Gruppen ähnlich häufig vor, aber die Sterberaten aufgrund jeglicher Ursache waren mit Insulin als Second-line-Therapie höher.

Referiert & kommentiertProf. Dr. Hans-Christoph Diener, Essen - Mit Autorenkommentar

Stabile koronare Herzerkrankung und Vorhofflimmern

Kombination von Vitamin-K-Antagonisten und Thrombozytenfunktionshemmern sinnvoll?

Eine dänische Studie brachte folgende Antwort: Bei Patienten mit Vorhofflimmern und stabiler koronarer Herzerkrankung führt die Gabe von Thrombozytenfunktionshemmern zusätzlich zu Vitamin-K-Antagonisten zu einem erhöhten Blutungsrisiko, ohne das Risiko thromboembolischer Ereignisse zu vermindern.